Hessisches Ministerium des Innern, für Sicherheit und Heimatschutz

Debatte zur Gewalt gegen Amts- und Mandatsträgern

Vor dem Hintergrund einer Diskussion im Hessischen Landtag um Straftaten zum Nachteil von Amts- und Mandatsträgern und eine gewaltfreie politische Auseinandersetzung führte Innenminister Roman Poseck aus: „Unsere Demokratie lebt vom Mitmachen und vom friedlichen Diskurs.  Für mich ist ganz klar: Beleidigungen oder gar gewaltsame Übergriffe haben in der politischen Auseinandersetzung nichts verloren. Auch der politische Wettstreit unter ärgsten Wettbewerbern muss friedlich stattfinden. Gewalt ist niemals ein legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung; das muss Konsens sein. 

Leider zeigt die Polizeiliche Kriminalstatistik, dass Straftaten zum Nachteil von Amts- und Mandatsträgern in 2024 im Vergleich zum Vorjahr um knapp 50 Prozent angestiegen sind. Das ist die höchste Fallzahl seit Einführung des Angriffszielkataloges im Bereich der politisch motivierten Kriminalität im Jahr 2019. Seit 2022 haben die Straftaten zum Nachteil von Amts- und Mandatsträgern sogar um mehr als 150 Prozent zugenommen. Das ist ein Alarmsignal. Es darf nicht so weit kommen, dass Bedrohungen und Gewalt Menschen davon abhalten, sich politisch zu engagieren. 

Zugleich weise ich darauf hin, dass im vergangenen Jahr im Bereich der politisch motivierten Kriminalität in Hessen 4.443 Straftaten registriert wurden, was ein Zuwachs um 30 Prozent im Vergleich zu 2023 ist. Mehr als die Hälfte aller politisch motivierten Straftaten waren rechts motiviert. Die Zahlen belegen, dass der Rechtsextremismus weiterhin die größte Gefahr für unsere Demokratie ist.

Besorgniserregend ist es, dass sich die Kräfte an den extremen politischen Rändern immer aggressiver und gewaltbereiter gegenüberstehen. Deshalb ist eine klare Haltung, die sich gegen extremistische Bestrebungen am rechten und linken Rand gleichermaßen richtet, wichtiger denn je.

Ende November soll der Gründungsparteitag einer neuen AfD-Jugendorganisation in Gießen stattfinden. Im Vorfeld dieses Parteitages ist es bereits zu Gewaltaufrufen seitens der linken Szene gekommen. Ich verurteile diese Form der Auseinandersetzung durch linksextreme Kräfte sehr deutlich. Sie missachtet unsere demokratischen Spielregeln. Ich appelliere daher an alle Beteiligten, sich an Recht und Gesetz zu halten.

Die Polizei bereitet sich mit Hochdruck auf den Großeinsatz im Zusammenhang mit dem Gründungsparteitag vor. Sie wird alles dafür tun, dass der Rechtsstaat Ende November in Gießen zur Geltung gebracht werden kann. Dazu gehört insbesondere auch der Schutz von Versammlungsrechten und der körperlichen Unversehrtheit von Beteiligten.

Die AfD macht einen grundlegenden Fehler, wenn sie Kritik an ihrer Politik mit möglichen Gewaltaufrufen und -anwendungen in einen Topf wirft. Kritik an der politischen Ausrichtung einer Partei ist in einer Demokratie legitim; dies schließt auch friedliche Demonstrationen gegen diese ein. Entscheidend ist aber, dass die Grenzen der Auseinandersetzung auch von Demonstranten beachtet werden. Der Zweck kann nicht die Mittel heilen. Ich erwarte von friedlichen Demonstranten im Übrigen auch, dass sie sich nicht mit gewaltbereiten Kräften gemein machen.

Wir brauchen eine Trendumkehr in der Debattenkultur in der gesamten Gesellschaft. Extreme Kräfte am rechten und linken Rand haben zur Verrohung der Sprache und zum aggressiven Klima in unserer Gesellschaft beigetragen Wir müssen wieder zu mehr Toleranz und Respekt zurückkehren. Der Schutz unserer Demokratie hat überragende Bedeutung.

Unsere Sicherheitsbehörden tragen schon jetzt dazu bei: Angriffe auf Politiker werden durch die polizeilichen Staatsschutzdienststellen konsequent verfolgt. Die hessische Polizei stellt sicher, dass jeglichen Vorkommnissen im Zusammenhang mit Amts- und Mandatsträgern nachgegangen wird, diese bewertet und sodann dem strukturierten Gefährdungslagenmanagement zugeführt werden. Der Anfangsverdacht von Straftaten wird auch niedrigschwellig verfolgt. Hierfür gibt es bei der hessischen Polizei eine eigene Gesamtkonzeption ,Schutz von Amts- und Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern sowie Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern‘ zu verhaltensorientierten Beratungen und sicherungstechnischen Maßnahmen. Darüber hinaus sensibilisiert die Polizei im Rahmen verschiedener Veranstaltungen und Beratungsgespräche auch mit Handreichungen über mögliche Schutzmaßnahmen und Verhaltensweisen.“

Konsequente Gefährdungslagebewertung

Die hessische Polizei stellt sicher, dass jegliche Vorkommnisse im Zusammenhang mit Amts- und Mandatsträgern im Gefährdungslagenmanagement (GLM) bewertet und entsprechende Maßnahmen zur Gefahrenreduzierung getroffen werden. Im Rahmen dieses Systems wurde bereits im Herbst 2023 eine polizeiliche Gesamtkonzeption „Schutz von Amts- und Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern sowie Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern“ umgesetzt. Neben der konsequenten Strafverfolgung sind insbesondere die Gefahrenabwehr und die Kommunikation mit den Betroffenen zu Maßnahmen der Polizei von entscheidender Bedeutung. Zentrales Element der Konzeption ist, dass Amts- und Mandatsträgern bei derartigen Vorfällen eine feste Kontaktperson zur Verfügung gestellt wird. Über diese Kontaktperson werden die Kommunikationsbedarfe kanalisiert und bei Bedarf weitere Spezialisten vermittelt. Die möglichen präventiven Maßnahmen sind vielschichtig. Sie reichen von Sicherheits- und Verhaltensberatungen, Objektberatungen und Schutzmaßnahmen bis hin zu besonderen Opferschutzmaßnahmen. Beratungen über diese Angebote können über die Präventionsdienststellen der örtlichen Polizeipräsidien erfolgen. Der Austausch mit dem Gefährdungslagenmanagement ist jederzeit sichergestellt.

Die hessische Polizei informiert Amts- und Mandatsträgerinnen und -träger, kommunale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Personen des öffentlichen Lebens des Weiteren z. B. im Rahmen von Veranstaltungen (z. B. Sicherheitsinitiative KOMPASSKOMmunalProgrAmmSicherheitsSiegel) oder in Beratungsgesprächen über mögliche Schutzmaßnahmen und Verhaltensweisen. So wurden unter anderem Vorträge über das neue Gefährdungslagenmanagement im Rahmen der KOMPASSFortbildungs-Tage für die kommunalen KOMPASS-Ansprechpartner sowie Bürgermeisterinnen und Bürgermeister gehalten, Flyer mit allgemeinen Verhaltenshinweisen verteilt und Sensibilisierungsveranstaltungen seitens der Polizeipräsidien durchgeführt. Zusätzlich gibt es Handreichungen mit Handlungsempfehlungen für Amts- und Mandatsträgerinnen und Mandatsträger und weiterführenden Informationen.

Darüber hinaus wurden in allen hessischen Polizeipräsidien seit dem Jahr 2018 sukzessive wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Ansprechpersonen für die Prävention von politisch motivierter Kriminalität (PMK) bzw. Extremismus eingestellt. Im Bereich der Prävention werden mit dem Landesprogramm „Hessen - aktiv für Demokratie und gegen Extremismus“ in der Förderperiode 2025-2029 zahlreiche Projekte im Bereich der Bekämpfung des Extremismus gefördert.

Gewalttaten mache unter Straftaten zum Nachteil von Politikern kleinen Anteil aus

Als häufigste Straftat zum Nachteil von Amts- und Mandatsträgern wurde im Jahr 2024 Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens erfasst (§ 188 StGB; 51,3 %). Weitere Straftaten waren u. a. Beleidigung (§ 185 StGB; 13,6 %) und die Belohnung und Billigung von Straftaten (§ 140 StGB; 7,7 %), Sachbeschädigung (§ 303 StGB; 7,3 %) und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen (§ 86a StGB; 5,2 %). Fünf der erfassten Fälle waren Gewaltdelikte (2023: 5), darunter Körperverletzung und Brandstiftung.

Unter „Staat / Amtsträger fallen Personen wie Bürgermeister, Landräte, kommunale Wahlbeamte, Gerichtsvollzieher, Minister, Ministerpräsidenten, Präsident der Europäischen Kommission, Regierungspräsident, Richter, Staatsanwalt, Ordnungsamtsmitarbeitende, Vorsitzender des Europäischen Rates (unabhängig ob bestellte und / oder haupt-, neben-, ehrenamtlich handelnde Person). Auch ehemalige Amtsträger, sofern sie aufgrund dieses Amtes noch nachträglich thematisiert/angegriffen werden, fallen in diese Kategorie. „Staat / Mandatsträger“ umfasst Abgeordnete (Europaparlament, Bundestag und Landtag), Mandatsträger in Gemeindevertretungen, Stadtverordnetenversammlungen und Kreistagen, Stadträte, sowie ehemalige Mandatsträger, sofern sie aufgrund dieser Funktion noch nachträglich thematisiert / angegriffen werden. Die Begrifflichkeiten bzw. erhobenen Fallzahlen ergeben sich aus dem bundesweit gültigen Kriminalpolizeilichen Meldedienst (KPMD).