Der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Jürgen Dusel, hat die Gedenkstätte Hadamar besucht. Zusammen mit Hessens Innenstaatssekretär Martin Rößler informierte sich Herr Dusel über die frühere Tötungsanstalt, in der zwischen 1941 und 1945 fast 15.000 Menschen – unter ihnen viele psychisch Erkrankte und Menschen mit Behinderungen – auf grausame Weise ermordet wurden.
Bewusstsein schärfen und Erinnerungen wachhalten
Die Gedenkstätte Hadamar, der Landeswohlfahrtsverband (LWV) Hessen als deren Träger, die Hessische Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit (HöMS) und das Hessische Ministerium des Innern, für Sicherheit und Heimatschutz (HMdI) haben im Mai 2024 eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen. Diese sieht vor, dass Polizeianwärterinnen und -anwärter der HöMS die Gedenkstätte Hadamar im Rahmen eines Studientags besuchen, um sich mit der Geschichte des Nationalsozialismus und den in seinem Namen begangenen Verbrechen auseinanderzusetzen. Die Besuche sollen gleichermaßen der politischen Bildung und der Extremismusprävention dienen.
Jürgen Dusel betonte bei seinem Besuch die Verpflichtung, gegen demokratiefeindliche Kräfte einzutreten: „Im Nationalsozialismus wurden hunderttausende Kinder, Männer und Frauen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen von den Nationalsozialisten grausam getötet oder zwangssterilisiert – viele von ihnen in der hessischen Tötungsanstalt Hadamar. Noch heute ist dieses Leid und die damit verbundene Scham nicht hinreichend aufgearbeitet und anerkannt. Ich befürchte, dass dieses Unrecht nun, 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, droht, in Vergessenheit zu geraten. Deshalb brauchen wir Programme wie diese Kooperation in Hessen, die dabei helfen können, dass junge Polizeianwärterinnen und -anwärter – ein Beruf mit einer hohen gesellschaftlichen Verantwortung – ihr Bewusstsein für die im Nationalsozialismus verübten Verbrechen schärfen. Die Erinnerung an das Geschehene verpflichtet uns alle, den Kräften entgegenzutreten, die unsere Demokratie verhöhnen und das geschehene Unrecht kleinreden oder gar leugnen.“
Martin Rößler hob die Bedeutung einer lebendigen Erinnerungskultur hervor: „Die frühere Tötungsanstalt Hadamar erinnert an schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit und mahnt zum beharrlichen Eintreten für die Rechte behinderter Menschen. Die Selektionen, die Nationalsozialisten in ihrem Rassenwahn vorgenommen und die Morde, die sie begangen haben, zeugen von der barbarischen nationalsozialistischen Ideologie, die mit dem christlichen Menschenbild und der Idee universeller Menschenwürde unvereinbar ist. Menschen mit Behinderungen gehören untrennbar zu unserer Gesellschaft. Die Hessische Landesregierung wirkt auf vielfältige Weise darauf hin, ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu fördern. Den engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Gedenkstätte Hadamar danke ich dafür, dass sie die Erinnerung an das Unrecht wachhalten, das Nationalsozialisten an Menschen mit Behinderungen begangen haben. Eine lebendige Erinnerungskultur sensibilisiert für die Diskriminierungen, denen Menschen mit Behinderungen auch heute noch vielerorts ausgesetzt sind und hilft, unsere Gesellschaft gegen Ideologien und Denkweisen zu wappnen, die Menschen mit Behinderungen und deren Belange an den Rand drängen wollen.“
Einrichtung des Landeswohlfahrtsverbands Hessen
Dieter Schütz, Beigeordneter des LWV Hessen, betonte: „Menschen mit psychischen Erkrankungen und Behinderungen wurden im Nationalsozialismus ausgegrenzt und ermordet. Wir haben die Verpflichtung, dieses Verbrechen, das von staatlichen Einrichtungen ausging, nicht zu vergessen und für die Gegenwart Lehren hieraus zu ziehen. Ich freue mich sehr, dass die LWV-Einrichtung mit dem Hessischen Innenministerium kooperiert, um die Geschichte und die hieraus erwachsenen Aufgaben durch Studientage in der Gedenkstätte in die heutige Ausbildung von Anwärterinnen und Anwärtern der hessischen Polizei zu integrieren.“
Der Präsident der HöMS, Dr. Walter Seubert, sagte: „Die HöMS trägt unserer Erinnerungskultur und der damit verbundenen Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen mit Besuchen von Gedenkstätten wie Hadamar und vielen weiteren Maßnahmen Rechnung. Die Stärkung demokratischer Werte, interkultureller Kompetenzen und die stetige Sensibilisierung für das Thema Extremismus sind feste Bestandteile unserer Hochschule. Der Hochschuldidaktische Dienst der HöMS bietet darüber hinaus weitere Angebote für die Studierenden, Lehrenden und Mitarbeitenden an, die insbesondere die Stärkung der demokratischen Resilienz zum Ziel haben: Die Hochschultage im Fachbereich Polizei finden jährlich mit Kooperationspartnern aus Zivilgesellschaft und hessischen Polizeipräsidien statt. In Workshops vertiefen Studierende, Lehrende, Mitarbeitende und Praxisausbilderinnen und Praxisausbilder der HöMS und der Präsidien das jeweilige Themenfeld der politischen Bildung.“
Der Hauptschwerbehindertenvertreter der Hessischen Polizei, Marcus Baumann, brachte seine Freude über Jürgen Dusels Besuch zum Ausdruck: „Es bewegt mich sehr, dass der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen zu uns nach Hessen kommt und mit uns gemeinsam die Gedenkstätte Hadamar besucht. Unser gemeinsames Projekt, unsere Kolleginnen und Kollegen für dieses wichtige Thema zu sensibilisieren, bekommt dadurch eine weitere Unterstützung. Menschen mit Behinderungen sind heute fester Bestandteil unserer Gesellschaft und der hessischen Polizei. Dieses Projekt und der heutige gemeinsame Besuch zeigen dies erneut. Wir werden uns weiter gemeinsam engagieren, damit das Motto des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen ,Demokratie braucht Inklusion‘ weiter fester Bestandteil unseres Handelns bleibt.“
Der Leiter der Gedenkstätte Hadamar, Prof. Dr. Jan Erik Schulte, ging bei dem Termin auf die Neugestaltung des Gedenk- und Lernortes ein, die gerade begonnen hat: „Als Ort, an dem 1941-1945 Menschen mit psychischen Erkrankungen und Behinderungen ermordet wurden, steht die Gedenkstätte Hadamar in einer besonderen Verantwortung für Inklusion und Barrierefreiheit. In der neuen Dauerausstellung wollen wir diese so weit wie möglich realisieren. Hierfür braucht es vielfältige Unterstützung und wir danken dem Bund und dem Land Hessen für die finanziellen Zuwendungen, die die Neugestaltung der Gedenkstätte und ihrer Dauerausstellung erst möglich machen.“