Im Bereich der politisch motivierten Kriminalität (PMK) wurden im Jahr 2023 insgesamt 3.425 Straftaten registriert (2022: 2.611), darunter waren rund 27,9 Prozent Propagandadelikte (2022: 28,8 %) und rund 5,4 Prozent Gewalttaten (2022: 6,7 %).
Das Straftaten-Aufkommen im Bereich der PMK wurde insbesondere durch die Auswirkungen des Angriffs der islamistischen Terrororganisation Hamas auf Israel Anfang Oktober geprägt. So wurden im vergangenen Jahr insgesamt 265 Veranstaltungen im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt polizeilich registriert, in deren Kontext insgesamt 388 Straftaten registriert wurden. Diese Delikte wurden schwerpunktmäßig in den Bereichen PMK -ausländische Ideologie- und PMK -religiöse Ideologie- erfasst.
Im Bereich PMK -ausländische Ideologie- wurden vergangenes Jahr 624 Delikte erfasst (2022: 381). Mehr als die Hälfte, 388 Fälle, wurden dabei im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt registriert. Im Bereich PMK -religiöse Ideologie- registrierte die Polizei vergangenes Jahr 179 Delikte (2022: 32). 125 Fälle und damit knapp 70 Prozent des Gesamtaufkommens in dem Bereich standen im Kontext des Veranstaltungsgeschehens mit Bezug zur Nahostthematik.
Insgesamt wurden in Hessen im Jahr 2023 347 antisemitische Straftaten registriert, was einen Anstieg um 224 Prozent zum Jahr 2022 darstellt (2022: 107). 143 antisemitische Straftaten und damit mehr als 59 Prozent wurden ab 7. Oktober 2023 erfasst. Bei einem Großteil der registrierten antisemitischen Straftaten im Jahr 2023 handelt es sich um „Hasspostings“ (Billigung von Straftaten gemäß § 140 StGB und Volksverhetzung gemäß § 130 StGB), drei Straftaten (2022: 2) waren Gewaltdelikte (Körperverletzungs- und Widerstandsdelikte). Die bereits 2020 eingerichtete Meldestelle HessenGegenHetze im Hessischen Innenministerium verzeichnete seit den Terrorangriffen auf Israel am 7. Oktober 2023 im Vergleich zu den Vormonaten eine Verdoppelung von Meldungen mit antisemitischen Inhalten bzw. explizit israelbezogenem Antisemitismus. 2.427 Meldungen (32 % des Meldeaufkommens) wiesen einen erkennbaren Bezug zum Nahostkonflikt auf. Im Vergleichszeitraum des Jahres 2022 nahmen antisemitische Äußerungen einen Anteil von 15 Prozent der Meldungen ein. Das Innenministerium hat als Reaktion auf den Angriff der Hamas auf Israel unmittelbar reagiert und die „Task Force Nahost“ eingerichtet, die bis heute besteht. Sie bündelt Informationen der hessischen Sicherheitsbehörden, auf deren Grundlage verschiedene Maßnahmen ergriffen werden.
„Der starke Anstieg der antisemitischen Straftaten ist besorgniserregend. Es beschämt mich zutiefst, dass Jüdinnen und Juden bei uns in diesem Ausmaß bedroht werden. Wir haben nicht zuletzt aufgrund unserer historischen Verantwortung eine Verpflichtung, alles zum Schutz jüdischen Lebens zu tun. Deshalb bin ich der hessischen Polizei sehr dankbar, dass sie sowohl präventiv als auch repressiv konsequent handelt und den Schutzauftrag für Menschen jüdischen Glaubens und für jüdische Einrichtungen tagtäglich umsetzt. Die gesamte Gesellschaft, auch alle Zugewanderten, sind aufgerufen, jeder Form des Antisemitismus beherzt und kompromisslos entgegenzutreten,“ führte Innenminister Roman Poseck weiter aus.
Rechtsextremismus im Fokus der hessischen Sicherheitsbehörden
Bei den Straftaten mit Bezug zum Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine im Kontext von Veranstaltungen wurde im Jahr 2023 ein Rückgang auf 128 Fälle registriert (2022: 331). Die meisten Fälle, 100, wurden dabei dem Bereich PMK -ausländische Ideologie-, gefolgt von PMK -sonstige Zuordnung- (15) und PMK -rechts- (13) zugerechnet. Deliktische Schwerpunkte waren mit 116 Fällen die Billigung von Straftaten gemäß § 140 StGB und Delikte im Bereich Sachbeschädigung (§§ 303 ff. StGB).
Im Bereich PMK -rechts- wurden vergangenes Jahr 1.511 Delikte registriert. Den größten Anteil, 785 Fälle, und damit mehr als die Hälfte machten dabei wie in den vergangenen Jahren Propagandadelikte aus (2022: 648), im Bereich Volksverhetzung wurden 391 Delikte registriert (2022: 213), bei den Gewalttaten gab es einen leichten Rückgang auf 48 Fälle (2022: 53).
„Der Rechtsextremismus ist weiterhin die größte Bedrohung für unsere Demokratie. Die BAO Hessen R wird den Druck auf Rechtsextremisten weiter mit allen zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mitteln hochhalten. Im Jahr 2023 haben die Ermittlerinnen und Ermittler im Bereich Rechtsextremismus 61 Haftbefehle und 134 Durchsuchungsbeschlüsse vollstreckt, bei denen auch Waffen und NS-Devotionalien sichergestellt wurden. Jüngst konnte die BAO Hessen R im Schulterschluss mit dem Landesamt für Verfassungsschutz Hessen erfolgreich einen geplanten Angriff einer rechtsextremen Gruppe von fünf Personen auf einen Bürger in Wetzlar erfolgreich verhindern. Die Ermittlungsresultate und die leicht gestiegene Aufklärungsquote zeigen, dass die hessischen Sicherheitsbehörden wachsam sind und es weiterhin eines konsequenten Vorgehens gegen die Feinde unserer Demokratie bedarf“, erläuterte Innenminister Roman Poseck.
Höchstwert bei Angriffen auf Einsatzkräfte
Einsatzkräfte wurden in den vergangenen Jahren vermehrt Opfer von Angriffen. Nach einem leichten Rückgang der Zahl der Opfer im Jahr 2022 (4.711) sind im Jahr 2023 mit 5.056 Polizeivollzugsbeamten 345 mehr Polizistinnen und Polizisten (+7,3 %) als Opfer registriert worden. Bei Widerstand und tätlichen Angriffen auf Polizeibeamte stieg die Anzahl der registrierten Fälle um 199 beziehungsweise rund 10,2 Prozent auf 2.152. Auch die Opferzahl von Angriffen auf Rettungskräfte stieg um rund 13,2 Prozent auf 171 (2022: 151) an. Darüber hinaus wurden 24 Feuerwehrleute als Opfer von Übergriffen registriert (2022: 11; +118,2 %). Somit wurden im vergangenen Jahr im Bereich der Angriffe auf Einsatzkräfte die höchsten Werte seit Erfassung dieser Opfergruppe in der Polizeilichen Kriminalstatistik ab dem Jahr 2011 registriert.
Die Anzahl der Straftaten zum Nachteil von Amts- und Mandatsträgern ist vergangenes Jahr ebenfalls wieder angestiegen. Registriert wurden im Jahr 2023 319 Fälle (2022: 185). Gedroht wird meist mit Körperverletzung, Brandstiftung oder gar dem Tod.
Innenminister Roman Poseck betonte: „Übergriffe und gewalttätige Angriffe auf Einsatzkräfte und auf Amts- und Mandatsträger sind völlig inakzeptabel. Wer Einsatzkräfte angreift, stellt sich gegen unseren Rechtsstaat und unser demokratisches Miteinander. Der traurige Höchstwert aus dem vergangenen Jahr muss uns wachrütteln. Wir müssen diese Angriffe konsequent und mit allen dem Rechtsstaat zur Verfügung stehenden Mitteln verfolgen. Ich fordere, dass Angriffe auf Einsatzkräfte mit künftig mindestens sechs Monaten Freiheitsentzug bestraft werden. So soll eine Umwandlung in eine Geldstrafe künftig ausgeschlossen werden. Unsere Einsatzkräfte haben unsere vollste Rückendeckung, Respekt und Wertschätzung verdient.“
Kampf gegen sexuellen Kindesmissbrauch
Bei den Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung ist im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg um 950 Fälle auf insgesamt 9.523 Straftaten festzustellen. Die Steigerung der Fallzahlen kann auch mit zunehmender Nutzung von Dating-Portalen, die eine anonyme Anbahnung sexueller Kontakte ermöglicht und nicht selten in Sexualdelikten münden, erklärt werden. Zusätzlich ist eine steigende Anzeigebereitschaft seitens der Geschädigten festzustellen.
Wesentlich für den Fallzahlenanstieg ist der Deliktsbereich der Verbreitung pornografischer Inhalte (Erzeugnisse) (§ 184 ff. StGB), indem ein Anstieg um 861 Fälle (+20,3 %) auf 5.103 Fälle erfasst wurde. Dies ist überwiegend in den gesetzlichen Meldeverpflichtungen US-amerikanischer Internet-Provider begründet, die strafbares Nutzerverhalten innerhalb ihrer angebotenen Dienste über die US-amerikanische Nichtregierungsorganisation „National Center for Missing and Exploited Children“ (NCMEC) unmittelbar und automatisiert an die zuständigen nationalen Behörden zur Einleitung von Strafverfahren übermitteln. Insgesamt hat die Verbreitung strafbarer pornografischer Inhalte mittels des Internets zwischen 2015 und 2022 bundesweit um knapp 600 Prozent zugenommen.
Angesichts der erneuten Zunahme der registrierten Delikte im Bereich sexueller Kindesmissbrauch sagte der Präsident des Hessischen Landeskriminalamtes Andreas Röhrig: „Die FOKUS Dienststellen erzielen wertvolle Erfolge im Kampf gegen sexuellen Kindesmissbrauch. Dennoch könnten die Ermittlerinnen und Ermittler mit der Speicherung von IP-Adressen noch mehr Kinder und Jugendliche schützen. Leider bleibt ihnen mit der IP-Adresse gegenwärtig eine wichtige Spur vorenthalten. Dabei sind IP-Adressen oftmals mit der einzige Ansatz, um die Identität der Täter überhaupt zu ermitteln. Dies gilt auch für weitere Straftaten aus dem Bereich der schweren Kriminalität und der Verhütung schwerer Bedrohungen für unsere nationale Sicherheit. Hier braucht es dringend die entsprechenden Befugnisse, damit unsere Polizistinnen und Polizisten schwerste Verbrechen weiterhin aufklären und bestmöglich für Sicherheit sorgen können.“
Der Kampf gegen sexuellen Kindesmissbrauch und Kinderpornografie ist ein Schwerpunkt der hessischen Polizei. Die Einheit „FOKUS“ (Fallübergreifende Organisationsstruktur gegen Kinderpornografie Und Sexuellen Missbrauch von Kindern), die seit Februar 2024 Teil der Regelorganisation der hessischen Polizei ist, begann im Oktober 2020 zunächst als Besondere Aufbauorganisation (BAO) ihre Arbeit, um die polizeilichen Maßnahmen gegen Kindesmissbrauch und Kinderpornografie in Hessen zu bündeln und zu intensiveren. Im Jahr 2023 wurden 2.180 Durchsuchungen durchgeführt, 35 Haftbefehle vollstreckt und rund 25.660 Datenträger (PCs und Notebooks, externe Speichergeräte, Spielekonsolen, CDs/DVDs und mobile Endgeräte) sichergestellt. Zudem erfolgten bei 1.019 Beschuldigten erkennungsdienstliche Maßnahmen und 485 Beschuldigte wurden unmittelbar nach der Durchsuchung vernommen. Angesichts der psychisch belastenden Tätigkeit hat die hessische Polizei frühzeitig Supervisions- und Betreuungsangebote für die im Bereich des Kindesmissbrauchs tätigen Beschäftigten etabliert. Seit dem 1. Juli 2023 erhalten Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte, deren Hauptaufgabe im Deliktsbereich des sexuellen Missbrauchs von Kindern oder der Kinderpornografie liegt, eine Zulage in Höhe von 300 Euro monatlich.