Verwaltungsgebäude Grenzdurchgangslager Friedland und Außenstelle des BVA

Hessisches Ministerium des Innern, für Sicherheit und Heimatschutz

Landesbeauftragte informiert sich zur Situation von Spätaussiedlern aus der Ukraine

Härtefallaufnahmeverfahren für Flüchtlinge deutscher Volkszugehörigkeit.

Bei einem Ortstermin verschaffte sich Landesbeauftragte Margarete Ziegler-Raschdorf einen Eindruck über die aktuelle Situation in der Aufnahmestelle für Spätaussiedler im Durchgangslager Friedland vor dem Hintergrund des Ukraine–Krieges.

Auf Einladung des zu diesem Zeitpunkt noch amtierenden Bundesbeauftragten für Aussiedler und nationale Minderheiten Prof. Dr. Bernd Fabritius besuchte sie gemeinsam mit den Länderbeauftragten des Landes Niedersachsen, Editha Westmann, des Landes Nordrhein-Westfalen, Heiko Hendriks, dem Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, LMDR, Johann Thießen, sowie dem Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten, AGDM, Bernard Gaida, die Aufnahmeeinrichtung in Niedersachsen. Vor Ort informierten sich die Beauftragten und Gäste über das wegen des Ukraine-Krieges eingeführte Härtefallverfahren zur Spätaussiedleraufnahme von Menschen deutscher Volkszugehörigkeit aus der Ukraine. In der Ukraine leben geschätzt 30.000 Menschen deutscher Abstammung und Volkszugehörigkeit.

Empathie ist gefragt

Im Gespräch mit leitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesministeriums des Innern, BMI, und des Bundesverwaltungsamtes, BVA, informierten sich die Beauftragten über die aktuellen Zahlen und den konkreten Ablauf des Härtefallaufnahmeverfahrens. Der Austausch mit der Projektgruppe für das Härtefallaufnahmeverfahren machte deutlich, wie sehr die Arbeit aktuell bis an die Grenze der Belastbarkeit führt und mit welch großer Empathie die Aufgaben geleistet werden.

„Die Betroffenen, die aktuell in Friedland beraten werden, kommen teilweise hochtraumatisiert hier an und bedürfen einer besonderen Anteilnahme und Aufmerksamkeit. Wir sind tief beeindruckt von der großartigen Arbeit, die hier in der Außenstelle des BVA in Friedland geleistet wird und möchten allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unseren Respekt und große Dankbarkeit ausdrücken“, so Landesbeauftragte Ziegler-Raschdorf.

Wichtige Informationen für Spätaussiedlerbewerber, die jetzt im Wege der Flucht aus der Ukraine nach Deutschland kommen, fasst die Landesbeauftragte wie folgt zusammen:

  • Der Antrag zur Aufnahme als Spätaussiedler kann bei Vorliegen aller Voraussetzungen (Deutsche Abstammung, deutsche Sprachkenntnisse, Bekenntnis zur deutschen Nationalität) unmittelbar in der Außenstelle in Friedland gestellt werden. Liegen diese Voraussetzungen noch nicht vor, ist von einer Vorsprache in Friedland abzuraten.
  • In diesen Fällen kann aber der vorläufige Schutzstatus als Kriegsflüchtling aus der Ukraine in Anspruch genommen werden. Es darf KEIN Antrag auf Asyl gestellt werden.
  • Ein vorübergehender Aufenthalt nach der neuen Massenflucht-Richtlinie der EU mit Sozialsicherung ist für einen späteren Antrag zur Aufnahme als Spätaussiedler NICHT SCHÄDLICH, wenn innerhalb von sechs Monaten ein begründeter Antrag auf Aufnahme als Spätaussiedler in Friedland gestellt wird – etwa nach Verbesserung unzureichender Deutschkenntnisse oder Beschaffung fehlender Unterlagen. Der Aufenthalt als Kriegsflüchtling wird dann nur als „vorübergehend“ gewertet. Weitere Information hierzu siehe MERKBLATT des BVA: https://t1p.de/guvreÖffnet sich in einem neuen Fenster
  • Vor Anreise in Friedland ist unbedingt eine Anmeldung mündlich oder per Telefon-Hotline (+4922899358-20255) vorzunehmen (Kontaktdaten: https://t1p.de/hwf4nÖffnet sich in einem neuen Fenster). Von einer spontanen Anreise nach Friedland ist dringend abzuraten.
  • In der Zwischenzeit der sechsmonatigen Frist können alle Leistungen für Kriegsflüchtlinge in Anspruch genommen werden: Es besteht ein vorläufiges Aufenthaltsrecht, Arbeitsmöglichkeit sowie Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz wie Krankenversicherungsschutz.
  • Die Meldung als Kriegsflüchtling erfolgt bei den üblichen Flüchtlingsaufnahmestellen in den Bundesländern in Deutschland.

Über die Telefon-Hotline, die bereits einen Tag nach Kriegsbeginn, am 25. Februar 2022 aktiviert wurde, melden sich Betroffene zu einem Beratungsgespräch an, wann sie nach Friedland kommen sollen. Sodann erfolgt in Friedland die eigentliche Härtefallbearbeitung im mündlichen Verfahren, auch der Sprachstands-Test wird in Friedland abgenommen. Personen mit positivem Härtefallaufnahme-Bescheid werden anschließend wie andere Spätaussiedler auch, in den Transitunterkünften Duderstadt (Niedersachsen) und Mörfelden-Walldorf (Hessen) untergebracht, bevor sie über Friedland den einzelnen Bundesländern nach dem Königsteiner Schlüssel zugewiesen werden. 

Knapp 500 Personen aus der Ukraine in Friedland eingetroffen

Im regulären Spätaussiedleraufnahmeverfahren sind von Januar bis März 2022 aus der Ukraine 289 Spätaussiedler nach Deutschland gekommen (Quelle: Statistik Bundesverwaltungsamt, BVA).

„Darüber hinaus haben im Zeitraum vom 01. März bis 13. April 2022 insgesamt 486 Personen aus der Ukraine persönlich in Friedland vorgesprochen. Die Anträge betroffener Antragssteller aus der Ukraine werden aufgrund der Kriegssituation vorrangig bearbeitet. Diese Verfahren erfordern ein hohes Maß an Einarbeitung und Sachkenntnis, so zum Beispiel das Einlesen in die kyrillische Schrift der Urkunden und die Feststellung der Übereinstimmung von Übersetzung und Originaltext oder etwa die Prüfung der rechtlichen Lage bei Geburt der Person. Von den 486 Personen sind 340 Personen nach erfolgter Beratung aus Friedland abgereist und haben bisher noch keinen Härtefallantrag gestellt. Sie haben jedoch die Option, diesen Antrag zu einem späteren Zeitpunkt zu stellen. Bei den verbliebenen 146 Personen konnten 27 Aufnahmebescheide und 34 Einbeziehungsbescheide, insgesamt also 61 positive Bescheide erteilt werden, fünf Personen mussten abgelehnt werden. Bei den übrigen 80 Personen handelt es sich nicht um Spätaussiedlerbewerber. Im schriftlichen Verfahren wurden im gleichen Zeitraum (1.3. bis 13.4.) 185 Ablehnungen für Personen aus der Ukraine erstellt, da sie die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Spätaussiedleraufnahme nicht erfüllen“, informiert Ziegler-Raschdorf.

Auch aussichtlose Fälle nähmen leider zusätzlich die vorhandenen Kapazitäten für das Aufnahmeverfahren in Anspruch: in solchen Fällen lägen z.B. kein Bekenntnis zum deutschen Volkstum vor und keine Sprachkenntnisse. Wichtig bleibe deshalb festzuhalten: nur der Ort der Prüfung wurde verändert, nicht der Inhalt bzw. die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Spätaussiedleraufnahme. Daher sei anzuraten, das eingeräumte halbe Jahr sorgfältig dafür zu nutzen, die eigenen Aufnahme-Voraussetzungen zu überprüfen.

Besondere Rahmenbedingungen durch den Krieg

Landesbeauftragte Ziegler-Raschdorf zeigt großes Verständnis dafür, dass viele vom Krieg Betroffene schlicht jede Möglichkeit nutzen, um sich zu retten. Trotzdem richtet sie die Bitte an Diejenigen, die die deutsche Abstammung und ausreichende Sprachkenntnisse noch nicht nachweisen können, unbedingt erst dann nach Friedland zu reisen, wenn die Voraussetzungen auch erfüllt sind und bewiesen werden können. Davor kann ein Aufenthalt im vorübergehenden Schutzstatus, etwa bei Verwandten, Bekannten oder öffentlichen allgemeinen Flüchtlingsaufnahmeeinrichtungen im Zeitraum von sechs Monaten dafür genutzt werden, die fehlenden Voraussetzungen zu erfüllen. Hierbei leistete z.B. die LMDR mit ihren örtlichen Beratungsstellen wertvolle Hilfe. Sie verweist auch auf die umfassenden Informationen auf der Seite des Bundesverwaltungsamtes. 

„Das Härtefallaufnahmeverfahren ist eine großartige Möglichkeit für Ukraine-Flüchtlinge deutscher Abstammung, sich als Spätaussiedler registrieren zu lassen. Die eingeräumte Sechs-Monats-Frist entzerrt die Verfahren und gibt Bewerbern die Chance, in Ruhe die Voraussetzungen zu prüfen, Urkunden einzuholen und eventuell noch Sprachkenntnisse aufzubessern. Das Verfahren dürfe aber nicht durch aussichtslose Fälle missbraucht werden. Insbesondere bereits in der Vergangenheit abgelehnte Fälle würden nicht nochmals neu geprüft und vor dem Hintergrund des Krieges jetzt etwa anders beurteilt“, hebt die Landesbeauftragte hervor.

Im Laufe des Termins kamen die Beauftragten auch mit zwei Frauen und deren Kindern bzw. Enkeln ins Gespräch, die am selben Tag im Wege des mündlichen HFAV als Spätaussiedler in Friedland erfolgreich das Aufnahmeverfahren durchlaufen hatten. Die Flüchtlinge berichteten von ihren Fluchterfahrungen und ihren Ängsten vor der neuen Situation und zeigten sich ausgesprochen dankbar für die Hilfe, die Ihnen in Deutschland begegnet.

Zum Abschluss des Besuchs gab es ein Zusammentreffen der Gäste mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesverwaltungsamtes im Grenzdurchgangslager Friedland, das Corona-bedingt im Freien vor der Einrichtung stattfand. Die Beauftragten zeigten sich dankbar für die erhaltenen Informationen und für die hochengagierte Arbeit, die in der zentralen Aufnahmeeinrichtung in Friedland geleistet werde und auch für das BVA Neuland darstelle.

Editha Westmann, Landesbeauftragte Niedersachsen, Margarete Ziegler-Raschdorf, Landesbeauftragte Hessen und Bernard Gaida, Vorsitzender der AGDM (v.l.n.r.) beim Besuch in Friedland
Editha Westmann, Landesbeauftragte Niedersachsen, Margarete Ziegler-Raschdorf, Landesbeauftragte Hessen und Bernard Gaida, Vorsitzender der AGDM (v.l.n.r.) beim Besuch in Friedland.

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