Innenminister Roman Poseck im Gespräch mit den Spitzen der hessischen Sicherheitsbehörden

Hessisches Ministerium des Innern, für Sicherheit und Heimatschutz

Mehr Befugnisse für Sicherheitsbehörden gefordert

In einer Sitzung mit dem Landespolizeipräsidenten Robert Schäfer, dem Präsidenten des Hessischen Landeskriminalamtes Andreas Röhrig und dem Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz Bernd Neumann hat sich Innenminister Roman Poseck über die aktuelle Sicherheitslage in Hessen informieren lassen. Im Mittelpunkt der Erörterungen stand dabei die Bedrohungslage für Hessen durch Spionage, Sabotage, Proliferationsbemühungen, staatliche Einflussnahme und Desinformationskampagnen.

Im Anschluss erklärte Innenminister Roman Poseck: 

„Angesichts der aktuellen Bedrohungen durch den internationalen Terrorismus und den Gefahren durch Spionage, Sabotage und Desinformationen aus dem Ausland, dürfen unsere Sicherheitsbehörden nicht abgehängt werden. Sie brauchen dringend mehr Befugnisse, um mit den neuen Herausforderungen Schritt halten zu können. Wir haben gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern einen Schutzauftrag, dem wir nachkommen müssen. Innere Sicherheit muss oberste Priorität haben, das muss sich in der Ausstattung unserer Sicherheitsbehörden und in ihren Befugnissen widerspiegeln. 

Unsere innere Sicherheit wird derzeit von allen Seiten massiv bedroht. Neben den schon länger bekannten terroristischen Gefahren aus dem politischen und politisch-religiösen Spektrum sind zuletzt auch Aktivitäten fremder Staaten auf deutschem Boden in den Fokus geraten. Russland bedroht nicht nur unsere äußere Sicherheit, sondern zunehmend auch unsere innere Sicherheit. Die mutmaßlichen Anschlagspläne auf den Vorstandsvorsitzenden von Rheinmetall und Verfahren des Generalbundesanwalts wegen mutmaßlich geheimdienstlicher Tätigkeit auch in Hessen belegen dies. Es ist sehr wahrscheinlich, dass derartige Bedrohungen eher zu- als abnehmen werden. Unsere Sicherheitsbehörden werden durch diese neuen Entwicklungen stark herausgefordert. Sie sind wachsam und professionell. Deshalb ist es bisher gelungen, Schlimmeres zu verhindern. Die Politik muss sich aber mit der neuen Gefahrenlage auseinandersetzen. Neue Bedrohungen erfordern neue Antworten. Auffallend ist vor allem, dass Deutschland zur Verhinderung von Terroranschlägen und anderen Angriffen immer wieder auf die Informationen fremder Staaten und Nachrichtendienste angewiesen ist. Unsere Nachrichtendienste laufen den ausländischen Nachrichtendiensten hinterher. Es braucht ein Umdenken, wie mit sicherheitsrelevanten und datenschutzrelevanten Informationen im Ernstfall umgegangen wird. Sicherheit darf nicht durch den Datenschutz ausgebremst werden. Wir sollten uns nicht dauerhaft auf andere Staaten verlassen.

Sicherheit stärker in die eigenen Hände nehmen

Im Gegenteil: In Anbetracht der unsicheren Entwicklungen auf der Welt halte ich es für wichtig, dass wir diese Abhängigkeiten im Interesse unserer eigenen Sicherheit schnellstmöglich reduzieren. Wir müssen unsere Sicherheit stärker in unsere eigenen Hände nehmen und unabhängiger und wehrhafter werden. Die rechtlichen Grundlagen für eine effektive Abwehr der neuen Bedrohungen müssen schnell geschaffen werden, um mit dem technologischen Fortschritt und den dazugehörigen Möglichkeiten mitzuhalten und aus vollen Ressourcen zu schöpfen.  Bislang agiert vor allem die Bundespolitik an diesen zentralen Fragen zu zaghaft. Auch in der inneren Sicherheit muss die Zeitenwende ankommen. Dazu ist es erforderlich, den Sicherheitsbehörden endlich die Befugnisse an die Hand zu geben, die sie für eine wirkungsvolle Aufgabenwahrnehmung dringend benötigen. Wir dürfen nicht zuwarten, bis es zu spät ist, weil fremde Dienste einmal nicht geliefert haben. Das gilt auch für die Kriminalitätsbekämpfung im Netz. Kriminelle nutzen vermehrt verschlüsselte Kommunikationsdienste und agieren im Darknet. Auch in diesem Feld fehlen unseren Sicherheitsbehörden die richtigen Instrumente, um konsequent und effektiv schwere Kriminalität und Terrorismus aufzudecken und zu bekämpfen. 

In Hessen haben wir mit dem Sicherheitskabinett bereits im Juni gehandelt und wesentliche Sicherheitsthemen herausgearbeitet sowie die Notwendigkeit des Handelns unterstrichen.

Maßnahmen für eine höhere Sicherheit

Ich hoffe sehr, dass vor allem der Bund nun auch den Ernst der Lage erkennt und entsprechende Gesetzesgrundlagen schafft, um Deutschland besser und vor allem sicherer aufzustellen“, erklärte Innenminister Roman Poseck heute in Wiesbaden nach einer Erörterung der Sicherheitslage mit den Spitzen der hessischen Sicherheitsbehörden.  

Innenminister Roman Poseck fordert nach der Erörterung mit den Spitzen der hessischen Sicherheitsbehörden konkret insbesondere folgende Maßnahmen:

Verschärfung der Strafbarkeit von geheimdienstlichen Agententätigkeiten sowie Erweiterung auf den Bereich hybrider Bedrohung (u.a. Desinformation)

„Der Bund muss die gesetzlichen Regelungen zur geheimdienstlichen Tätigkeit aktualisieren und die Verschärfung der Strafbarkeit von geheimdienstlichen Agententätigkeiten sowie der Erweiterung auf den Bereich hybrider Bedrohung prüfen“, so der Minister.

§ 99 StGB „Geheimdienstliche Agententätigkeit“ sollte eine Erweiterung auf tatbestandlicher Seite erfahren, da der Nachweis des Tätigwerdens für einen bestimmten Geheimdienst einer fremden Macht in vielen Fällen kaum zu führen ist. Außerdem ist eine Anhebung der Strafandrohung von aktuell bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe (Abs. 1) bzw. bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe in einem besonders schweren Fall (Abs. 2) zu prüfen. Im Kontext zunehmender hybrider Bedrohungen sollte auch die Einführung einer Strafbarkeit des gezielten Verbreitens von Desinformationen für fremde Dienste erwogen werden.

Umsetzung des ausstehenden zweiten Teils der Reform des Nachrichtendienstrechts des Bundes

„Gerade in der aktuellen sicherheitspolitischen Lage müssen klare und belastbare Rechtsgrundlagen des Handelns auch der Verfassungsschutzbehörden des Bundes geschaffen werden. Der Bund hat erst einen Teil des Nachrichtendienstrechts reformiert. Die Ausgestaltung der Eingriffsbefugnisse sind im Bund weiterhin nicht umgesetzt. Hier muss die Reform endlich fortgeführt werden, um Nachrichtendienste zu stärken“, führte Roman Poseck weiter aus.

Hessen und Bayern haben bereits eine vollumfängliche Novelle der jeweiligen Landesverfassungsschutzgesetze Mitte vergangenen Jahres abgeschlossen (durch das Gesetz zur Änderung sicherheitsrechtlicher Vorschriften und zur Umorganisation der hessischen Bereitschaftspolizei, in Kraft getreten am 12. Juli 2023, bzw. durch das Gesetz zur Änderung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes und des Bayerischen Datenschutzgesetzes, in Kraft getreten am 1. August 2023).

Stärkere Wahrnehmung der Zentralstellenfunktion durch das Bundesamt für Verfassungsschutz im Bereich der Spionageabwehr

„In den letzten Jahrzehnten ist die Spionageabwehr in den Hintergrund getreten und wurde ganz wesentlich durch das Bundesamt für Verfassungsschutz übernommen. Doch die veränderte sicherheitspolitische Lage sollte den Bund zu einer neuen Schwerpunktsetzung bringen. Der Bund muss beim gemeinsamen Aufbau neuer und verstärkter Spionageabwehrkompetenzen im Bereich der Inlandsnachrichtendienste eine Vorreiterrolle einnehmen und die Länder einbeziehen. Es braucht ein starkes Bundesamt für Verfassungsschutz, um Spionageversuche abzuwehren und andere Bedrohungen zu begegnen.“

Vorratsdatenspeicherung zur Terrorismusbekämpfung und Spionageabwehr

„Spätestens seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 30. April 2024 ist klar, dass eine anlasslose IP-Adressenspeicherung erlaubt ist, unabhängig von der Schwere des Delikts. Wir brauchen die IP-Speicherung nicht nur zur Aufklärung schwerer Kriminalität wie Kinderpornographie, sondern auch zur Verhinderung terroristischer Anschläge und zur Spionageabwehr. Der Bund muss endlich eine umfassende gesetzliche Regelung zur Speicherung von IP-Adressen für alle relevanten Bereiche schaffen. Hessen hat zur IP-Adressenspeicherung bereits eine Bundesratsinitiative eingebracht.

Bisher scheitert die Umsetzung am Bundesjustizminister, der auf das von allen Sicherheitsbehörden als unzureichend bewertete Instrument „Quick-Freeze“ setzt. Meiner Meinung nach müssen wir alle rechtlichen Möglichkeiten für unsere Sicherheit ausschöpfen und dürfen uns nicht mit offensichtlich unzureichenden Lösungen zufriedengeben. Auch hier gilt es, schnell zu handeln und nicht auf die Unterstützung ausländischer Dienste zu vertrauen, die weitergehende Möglichkeiten haben. Es wäre erfreulich, wenn das Thema der IP-Adressen durch europäische Vorgaben gelöst wird. Es bliebe allerdings ein Armutszeugnis für die Bundesregierung, dass sie sich an dieser sensiblen Stelle unserer Sicherheit als handlungsunfähig erwiesen hat.“

Keine Einschränkungen des Einsatzes von Verdeckten Ermittlern und Vertrauenspersonen – Referentenentwurf geht in die völlig falsche Richtung

„In Anbetracht der ernsthaften Bedrohungslagen durch den Terrorismus und die Organisierte Kriminalität ist das aktuelle Gesetzesvorhaben auf Bundesebene der falsche Weg zur konsequenten Verbrechensbekämpfung. Im Gegenteil: Diese würde zur Unzeit erheblich beeinträchtigt werden. Wir benötigen praktikable Regeln, mit denen die Sicherheitsbehörden vernünftig umgehen können. Der Einsatz der bewährten Instrumente der Verdeckten Ermittler und der Vertrauenspersonen darf dabei nicht beschnitten werden. Wieder einmal läuft die Praxis Sturm gegen ein wirklichkeitsfremdes Vorhaben auf Bundesebene. Experten aus der Polizei machen eindrücklich deutlich, welche Nachteile mit dem aktuellen Entwurf verbunden wären. Ich setze darauf, dass sich fachliche Notwendigkeit und Vernunft im weiteren Gesetzgebungsverfahren noch durchsetzen und sich durch grundlegende Änderungen doch noch ein praktikables Regelwerk erreichen lässt.“

Verbesserung und Erleichterung des Informationsaustauschs und der behördenübergreifenden ganzheitlichen Auswertung von Daten, um beispielweise Terrornetzwerke frühzeitig zu erkennen.

„Polizeien von Bund und Länder sollten Instrumente an die Hand bekommen, um Daten effektiver auswerten zu können, insbesondere die Analyseplattform hessenDATA sollte als „Bundes-VeRA“ national eingeführt werden, um den nationalen und internationalen Informationsaustausch bei der Terrorbekämpfung wirkungsvoll zu verbessern.“

Ausschöpfung des rechtlichen Rahmens (EU KI-Verordnung) für den Einsatz von Gesichtserkennungssoftware in Echtzeit zur Gefahrenabwehr.

„Die Europäische KI-Verordnung hat den Ländern einen Handlungsrahmen aufgezeigt, der auch von unseren Sicherheitsbehörden bestmögliche Nutzungsmöglichkeiten erfordert, wie beispielsweise bei der Gesichtserkennungssoftware. Es darf nicht sein, dass Bürger mehr Befugnisse als unsere Polizei haben. Vor kurzem hat ein Journalist per Gesichtserkennungssoftware eine RAF-Terroristin im Netz gefunden. Um die Kriminalität auch im Netz effektiv zu bekämpfen, braucht es moderne Ermittlungsinstrumente für unsere Sicherheitsbehörden. Das betrifft auch den Datenschutz, der nicht zum Täterschutz führen darf. Fatal wäre, wenn der Bund, wie aus Teilen der „Ampel“ zu vernehmen war, zusätzliche Verbote der Nutzung von KI-Instrumenten zur Verbrechensbekämpfung einführen würde. Dies würde der mit der KI-Verordnung bezweckten Harmonisierung der Regelungen widersprechen und wäre ein fatales Signal an alle Ermittler im Land. Im Gegensatz zu Verbrechern stehen den Polizisten wegen Bedenken des Datenschutzes oder komplizierter Beschaffungsverfahren, KI-Instrumente nicht zur Verfügung. Diese würden die Ermittlungsarbeit aber deutlich effizienter gestalten, wie das Innovation Hub 110 der hessischen Polizei eindrucksvoll belegt. Die KI-Nutzung der Polizei gehört auf die Überholspur und nicht das Abstellgleis, wo sie Datenschützer gerne sähen.“

Zusammenarbeit mit digitalen Dienstanbietern verbessern, um extremistische und terroristische Gefahren sowie Aktivitäten im digitalen Raum durch fremde Dienste früher zu erkennen.

„Der Bund muss seine Bemühungen gegenüber Online-Dienstanbietern und Plattformbetreibern verstärken, die oftmals im Ausland sitzen, um bessere Bedingungen für die Kooperation mit deutschen Sicherheitsbehörden, Ermittlungen terroristischer und geheimdienstlicher Aktivitäten auf den Plattformen und Entfernung volksverhetzender, terroristischer oder gezielt desinformierender Inhalte zu erreichen.“

Schaffung der gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Auswertung kryptierter Täterkommunikation (Messenger / E-Mail)

„Es braucht rechtsstaatliche Lösungen zur Bekämpfung verschlüsselter Täter-Kommunikation, die europaweit auch im Darknet angewendet werden können. Die Europäische Union muss auf die Telekommunikationsanbieter, die nicht ausreichend mit den Sicherheitsbehörden kooperieren, wie „Telegram“, einwirken, um gegen rechtswidrige Kommunikationsinhalte vorgehen zu können.“

„Es ist an der Zeit, den Instrumentenkasten der Sicherheitsbehörden zu erweitern und zeitgemäß auszustatten. Wir dürfen dem Verbrechen keinen Vorsprung lassen. Terroristen, fremde Staaten, die auf unserem Boden Straftaten begehen, sowie Schwer-Kriminelle werden keinerlei Skrupel haben, Möglichkeiten neuer Technik für ihre Zwecke auszunutzen. Es darf nicht dazu kommen, dass unsere Sicherheitsbehörden mangels erforderlicher Befugnisse bei dieser Entwicklung das Nachsehen haben. Die Politik ist aufgefordert, über die geänderte Sicherheitslage nicht nur zu reden, sondern auch entsprechend zu handeln. Wir erleben aber leider, dass den Sicherheitsbehörden durch Teile der Bundesregierung aus rein ideologischen Gründen immer wieder Steine in den Weg gelegt werden. Dabei braucht es gerade jetzt den Schulterschluss von Bund und Ländern in Fragen der inneren Sicherheit“, führte Innenminister Roman Poseck abschließend aus.