Im Hessischen Landtag wurde heute in erster Lesung der Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen für ein Kommunales Flexibilisierungsgesetz (KommFlex) beraten. Er besteht maßgeblich aus einem neuen Standardbefreiungsgesetz (StbG), das Gemeinden, Landkreisen und Zweckverbänden die Möglichkeit gibt, sich auf Antrag von Standards aus dem Landesrecht befreien zu lassen. Außerdem sieht der Gesetzentwurf die Möglichkeit von Modellvorhaben im Brand- und Katastrophenschutz zur Erprobung innovativer Technologien, Produkte oder Dienstleistungen vor. Darüber hinaus sollen mit dem KommFlex u. a. die Hessische Gemeindeordnung (HGO), das Hessische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) und das Hessische Brand- und Katastrophenschutzgesetz (HBKG) mit dem Ziel angepasst werden, Standards und gesetzliche Vorgaben abzubauen und den Kommunen mehr Spielräume und Flexibilität für eigenverantwortliches Handeln zu geben.
Zu den wesentlichen Aspekten des Standardbefreiungsgesetzes führte Kommunalminister Roman Poseck in seiner Rede im Hessischen Landtag aus: „Die Kommunen sind das Rückgrat unseres Gemeinwesens. Sie kümmern sich direkt vor Ort um wichtige Aufgaben und Anliegen, wie Kinderbetreuung, Sicherheit oder Kultur. Damit sich die Kommunen vollumfänglich darauf konzentrieren können, dürfen sie nicht von unnötiger Bürokratie und starren Vorschriften ausgebremst werden.
Während meiner Besuche vor Ort und in Gesprächen mit Bürgermeistern und Kommunalen Spitzenverbänden wurde auch deutlich, dass Kommunen gerne Vorhaben oftmals flexibler regeln möchten, als es rechtliche Vorgaben derzeit vorschreiben. Sie haben ein nachvollziehbares Interesse, vor Ort passgenaue und pragmatische Lösungen umzusetzen.
Sicherheit der Menschen muss gewährleistet bleiben
Genau an dieser Stelle setzt das KommFlex der regierungstragenden Fraktionen von CDU und SPD an: Die Kommunen können sich von landesrechtlichen Vorgaben befreien lassen, um ihre Vorhaben so schneller und unkomplizierter umzusetzen. Dabei vertrauen wir auf die jahrelange Erfahrung der in den Kommunen Verantwortlichen, die vor Ort am besten wissen, wo auf überflüssige Standards verzichtet werden sollte.
Mit dem Standardabbaugesetz, dem Kern des Kommunalen Flexibilisierungsgesetzes, geben wir unseren Städten und Gemeinden konkret die Möglichkeit, sich von Standards zu lösen. Das Verfahren ist für die Kommunen bewusst einfach gestaltet. Dafür reicht ein Musterantrag, in dem sie darlegen, warum eine Vorschrift zu bürokratisch ist und wie der eigentliche Zweck auch ohne diese Regel erreicht werden kann. Wichtig ist dabei: Die Sicherheit der Menschen muss gewährleistet bleiben, das Gemeinwohl darf nicht beeinträchtigt werden, und der Normzweck muss erfüllt bleiben. Die Befreiung gilt bis zu vier Jahre. Danach wird geprüft, ob sich die Änderungen bewährt haben. Wenn dies der Fall ist, sollen die Standardbefreiungen allen Kommunen dauerhaft zugutekommen.
Besonders innovative Gemeinden oder Landkreise sollen als ,Modellkommunen‘ künftig die Gelegenheit bekommen, sich zeitgleich von Standards in mehr als zehn verschiedenen Gesetzen, Verordnungen oder Verwaltungsvorschriften befreien zu lassen.
Überflüssige Standards hinter sich lassen
Für den Bereich des Brand- und Katastrophenschutzes wollen wir darüber hinaus Modellvorhaben für die Erprobung von besonderen, noch nicht etablierten Technologien, Produkten oder Dienstleitungen ermöglichen. Dabei ist die Abweichung von bestehenden Standards im Geltungsbereich des Hessischen Brand- und Katastrophenschutzgesetzes zulässig. So sollen unnötige Standards und Bürokratie abgebaut und Innovationen gefördert werden. Das kann zum Beispiel neue oder verbesserte technische Ausstattung, Werkzeuge oder neue Systeme im Brand- und Katastrophenschutzbereich betreffen. Da es in diesem Bereich insbesondere um den Schutz von Leben und Sicherheit geht, gelten in diesem Bereich allerdings auch strengere Verfahrensanforderungen.
Mit dem Standardbefreiungsgesetz eröffnen wir die Möglichkeit von Reallaboren, in denen unsere Kommunen Erfahrungen mit dem Abbau von Bürokratie und der Befreiung von Standards sammeln können. So schaffen wir die Grundlage für dauerhafte Gesetzesänderungen zur Entlastung aller Städte und Gemeinden. Damit ist das KommFlex neben der bereits im Frühjahr beschlossenen Kommunalrechtsnovelle ein weiterer wichtiger Meilenstein, um Bürokratie für mehr Flexibilität abzubauen und größere Spielräume für pragmatisches Handeln vor Ort zu schaffen. Unsere Kommunen brauchen gerade jetzt mehr Luft zum Atmen. Bürorkatieabbau kann nur mit Mut und Tatkraft gelingen. Für diesen Spirit steht der vorliegende Gesetzentwurf.“
Hessens Entbürokratisierungsminister Manfred Pentz ergänzte: „Hessen macht ernst beim Thema Bürokratieabbau. Das KommFlex ist ein echter Aufbruch. Wir geben unseren Kommunen die Freiheit, überflüssige Standards hinter sich zu lassen und vor Ort pragmatisch zu handeln. Gerade in Zeiten großer Herausforderungen brauchen die Menschen Lösungen statt komplizierter Formulare. Mit dem Gesetz schaffen wir Freiräume, die schnell wirken – ein wichtiger Schritt, um Bürokratie abzubauen und Vertrauen in staatliches Handeln zurückzugewinnen. Das Kommflex reiht deshalb hervorragend in die Entbürokratisierungsstrategie des Landes ein.“
Anhebung der Altersgrenze für aktiven Dienst bei Freiwilligen Feuerwehren
Mit dem KommFlex wird auch das Hessische Brand- und Katastrophenschutzgesetz (HBKG) angepasst: Aufgrund der Fitness vieler älterer Menschen soll die Antragsaltersgrenze von 65 auf 67 Lebensjahr angehoben werden. Dem vorangegangen sind zwei Pilotprojekte, die gezeigt haben, dass ehrenamtliche Einsatzkräfte grundsätzlich – mit Ausnahme von Einsatztätigkeiten mit schweren körperlichen Belastungen – auch bis zur Vollendung des 67. Lebensjahr in den Einsatzabteilungen der Feuerwehr Dienst leisten können. Dazu erläutert Heimatschutzminister Roman Poseck: „Mit der angestrebten Gesetzesänderung eröffnen wir älteren und gesundheitlich noch fitten Kameradinnen und Kameraden die Möglichkeit, sich zwei Jahre länger aktiv im Brandschutz mit ihrer angesammelten Expertise einzubringen. Die Verlängerung ist eine Option, kein Muss. Viele Einsatzkräfte haben den Wunsch der Verlängerung an mich herangetragen. Diesem wollen wir nun entsprechen. Davon wird auch die Leistungsfähigkeit unsere mehr als 2.400 Freiwilligen Feuerwehren und damit insgesamt der Brandschutz als ein wesentliches Element der kommunalen Daseinsvorsorge in Hessen profitieren.“
Grundsätzlicher Bürokratie- und Standardabbau für starke Kommunen
Mit dem KommFlex ist des Weiteren beabsichtigt, die Hessische Gemeindeordnung (HGO), das Hessische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) und das Hessische Brand- und Katastrophenschutzgesetz (HBKG) anzupassen, um bereits identifizierte bürokratische Vorgaben ohne Antragsverfahren für die Kommunen abzubauen oder Erleichterungen zu gewähren.
Hierzu erläutert Roman Poseck: „Das Gesetz enthält weitere konkrete Maßnahmen zur Stärkung der Kommunen und zur Entlastung von Bürokratie. Beispielsweise entlasten wir Städte und Gemeinden mit einem kurzfristigen Konsolidierungszeitraum von bis zu zwei Jahren probeweise von der Aufstellung eines Haushaltssicherungskonzepts. Außerdem soll es finanziell solide aufgestellten Kommunen mit einer Haushaltssatzung ohne genehmigungsbedürftige Bestandteile in Zukunft möglich sein, die Satzung zu veröffentlichen, ohne vorher die Haushaltssatzung der Aufsichtsbehörde vorzulegen und deren Prüfung abzuwarten. Dies stärkt die kommunale Selbstverwaltung und baut bürokratische Hemmnisse ab. Abgeschafft wird auch die Pflicht für Kommunen bis zu 5.000 Einwohner, einen Rechenschaftsbericht zu erstellen; bei dieser Größe einer Kommune gibt es weniger Erläuterungsbedarf, weswegen wir auf die Erstellung künftig probeweise verzichten wollen.
Kleinere Kommunen von Aufgaben entlasten und Synergieeffekte nutzen
Bislang war die Zusammenfassung eines Landkreises und Gemeinden dieses Landkreises in einen gemeinsamen Verwaltungsbehördenbezirk und in einen gemeinsamen Ordnungsbehördenbezirk rechtlich nicht möglich. Durch eine Anpassung des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung wird diese Möglichkeit zukünftig eröffnet. Dadurch können die vielfältigen Aufgaben der Ordnungsverwaltung gebündelt werden, um zum Beispiel kleinere Kommunen von Aufgaben zu entlasten und Synergieeffekte zu nutzen. Des Weiteren weiten wir die Verleihungspraxis für Namenszusätze aus: Künftig können Gemeinden auf Antrag die Prädikatstitel ,Heilbad‘, Kurort‘ oder ,Kurstadt‘ auch als Namenszusatz führen, sofern die Voraussetzungen für die Verleihung erfüllt sind. Damit stärken wir die kommunale Identität und das touristische Potenzial unserer Städte und Gemeinden.
Wir stehen als Land Hessen eng an der Seite unserer Kommunen. Der Gesetzentwurf ist dafür ein weiteres Beispiel. Er steht beispielhaft für den engen Schulterschluss zwischen Land und Kommunen. So hat sich die kommunale Ebene in das Vorhaben intensiv und aktiv eingebracht.“