Im Landratsamt Groß-Gerau fand anlässlich des 75. Jubiläums des Bundes der Vertriebenen im Kreisverband Groß-Gerau und des 70. Jubiläums der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Kreisgruppe Groß-Gerau eine Festveranstaltung statt. Die hessische Landesbeauftragte für Heimatvertriebene und Spätaussiedler, Margarete Ziegler-Raschdorf, hielt auf Einladung der Verbände für beide Anlässe die Festrede und überreichte ein Buchgeschenk.
Bereits zwei Jahre nach der Vertreibung hatten sich am 20. Juli 1947 Flüchtlinge und Vertriebene im Kreisgebiet Groß-Gerau zusammengeschlossen und zur Wahrung ihrer Interessen den Verein „Interessengemeinschaft deutscher Flüchtlinge e.V., Kreis Groß-Gerau“ gegründet. Damit war der Grundstein für die Vertriebenenverbände im Kreisgebiet gelegt und gleichzeitig der Vorläufer des heutigen Bund der Vertriebenen Kreisverband Groß-Gerau entstanden. Bald darauf entstanden einzelne Landsmannschaften, orientiert an den Herkunftsregionen der Vertriebenen im ehemaligen deutschen Osten und den deutschen Siedlungsgebieten im Mittel-, Ost- und Südosteuropa. Dazu gehörte auch die Kreisgruppe der Sudetendeutschen Landsmannschaft (SL), die nunmehr seit 70 Jahren besteht.
Großer Dank an alle Mitglieder der Vertriebenenverbände
„Ich gratuliere Ihnen auch im Namen der hessischen Landesregierung sehr herzlich zu diesen beiden Jubiläen und möchte die Gelegenheit nutzen, Ihnen für Ihr Engagement in all den Jahren zu danken. Ein ganz besonderer Dank gilt dem Obmann der SL-Kreisgruppe und BdV- Kreisvorsitzenden Helmut Brandl, der gleichzeitig auch dem Leitungsgremium der BdV-Kreisgruppe angehört. Darüber hinaus ist er auch im BdV- Landesvorstand seit vielen Jahren ehrenamtlich als Öffentlichkeitsreferent und in den sozialen Netzwerken aktiv. Als einer der besonders Aktiven ist er ein Glücksfall für seine Verbände. Die Anwesenheit von vier Beigeordneten, vier Bürgermeistern, zwei Landtagsabgeordneten und weiterer Ehrengäste zeigt eindrucksvoll, welch hohe Wertschätzung sich BdV und SL in all den Jahrzehnten zu Recht im Kreis Groß-Gerau erworben haben. Aber nicht nur Helmut Brandl, sondern allen Mitgliedern der Vertriebenenverbände gilt mein Dank. Seit Jahrzehnten halten sie Ihren Verbänden die Treue, pflegen Ihr kulturelles Erbe und sehen es als Ihre Aufgabe an, Brücken in jene Heimat zu bauen, aus der Sie oder Ihre Vorfahren einst vertrieben wurden“, hob die Landesbeauftragte in ihrer Festrede hervor.
Ziegler-Raschdorf ging in ihrer Rede darauf ein, wie aktuell die Themen Flucht und Vertreibung in diesem Jahr leider wieder sind. Die Vertreibung, die Millionen Deutsche nach dem Zweiten Weltkrieg erlitten haben, stünde in der Reihe der dramatischen, menschenverachtenden Ereignisse dieser Zeit – dem brutalen Vernichtungskrieg Russlands gegen die Ukraine! „Wer hätte gedacht, dass wir nach siebzig Friedensjahren wieder Krieg in Europa haben und ein Ende derzeit nicht absehbar ist? In Folge dieses Krieges sehen sich die Ukrainerinnen und Ukrainer gezwungen, aus ihrem Land zu fliehen, um ihr Leben und das Leben ihrer Kinder zu retten. Sie fliehen in eine ungewisse Zukunft, können aber darauf vertrauen, dass sie in den Ländern West- und Mitteleuropas eine Willkommenskultur vorfinden und staatliche Strukturen, die sich um sie kümmern. Dies war vor 77 Jahren, nach Ende des Zweiten Weltkrieges, so nicht der Fall. Die Heimatvertriebenen kamen auf dem Gebiet der späteren Bundesrepublik Deutschland an, in Regionen, die häufig selbst vom Krieg zerstört waren. Die hiesige Bevölkerung war mit den Kriegsfolgen und dem Wiederaufbau beschäftigt, eine Willkommenskultur gab es nicht. Trotz der widrigen Umstände haben die Heimatvertriebenen nicht resigniert, waren bereit, sich auf die neuen Umstände einzulassen und bauten ihre Existenz in Wirtschaft und Gesellschaft neu auf. Ohne den Beitrag der Heimatvertriebenen hätte unser wirtschaftsstarkes Hessen seine Stärke wohl nicht erreicht. Dies darf auch in der heutigen Zeit nicht in Vergessenheit geraten, daher bin dankbar, dass Sie mit diesem Festakt an das Schicksal und die Leistungen der Heimatvertrieben erinnern“, so Landesbeauftragte Margarete Ziegler-Raschdorf.