Wiesbaden. Am 4. August 1950 wurde das Wiesbadener Abkommen unterzeichnet. In diesem Dokument bekannten sich Vertreter sudetendeutscher Vertriebener und tschechischer Exilorganisationen erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem gemeinsamen, friedlichen Europa. Die Unterzeichnung des Wiesbadener Abkommens jährte sich im vergangenen Jahr zum 70. Mal. Aufgrund der Corona-Pandemie konnte die zur Erinnerung an diesen Anlass geplante Festveranstaltung nicht stattfinden.
Auf Anregung der Hessischen Landesbeauftragten für Heimatvertriebene und Spätaussiedler, Margarete Ziegler-Raschdorf, entschlossen sich der Präsident des Sudetendeutschen Rates, Reinfried Vogler und die Sudetendeutsche Landsmannschaft in Zusammenarbeit mit der Kulturstiftung der deutschen Heimatvertriebenen zur Herausgabe einer Broschüre über die Hintergründe und die Entstehung des Wiesbadener Abkommens.
So entstand unter dem Titel „70 Jahre Wiesbadener Abkommen – Von Vertreibung zu Verständigung“ eine beeindruckende und bleibende Festschrift mit Beiträgen von Autoren und Autorinnen aus Wissenschaft, Politik und der Sudetendeutschen Landsmannschaft zur Bedeutung dieses wichtigen Nachkriegsdokumentes. Aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet jeder dieser Beiträge die Umstände der damaligen Zeit, wie es zu dem Dokument kam und wie sich die Dinge nach der Unterzeichnung entwickelt haben. In seinem Geleitwort zum 70. Jahrestag des Wiesbadener Abkommens bescheinigt der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier den damaligen Repräsentanten der Sudetendeutschen und des tschechischen Nationalausschusses großen Respekt und Anerkennung und führt aus: „Sie beteiligten sich mit großer Weitsicht an dem Weg, der zu Austausch und Verständigung in dem Europa führte, wie wir es heute kennen“.
Der Beitrag der hessischen Landesbeauftragten Margarete Ziegler-Raschdorf für die Festschrift thematisiert unter dem Titel „Die deutschen Heimatvertriebenen in Hessen“ die Lage und Entwicklung in den ersten Jahren nach Ankunft der Vertriebenen in Hessen. „Einen besonderen Schwerpunkt bildet hier der „Hessenplan“, der mit einem klugen Konzept zur Lösung der Wohnungs- und Arbeitsplatznot eine entscheidende Grundlage für die am Ende gelungene Integration der Vertriebenen gelegt und eine Perspektive für die stark angewachsene Bevölkerung gefunden hat. Der Hessenplan stellt in ganz Deutschland ein einzigartiges Instrument zur Landesentwicklung in der damaligen Zeit dar und auch zur großen Bereitschaft, die Heimatvertriebenen einzugliedern. Mein Blick richtet sich sodann auf die heutige und damit aktuelle Politik der Hessischen Landesregierung für Heimatvertriebene und Spätaussiedler, die seit vielen Jahrzehnten verlässlich und kontinuierlich erfolgt“, machte Margarete Ziegler-Raschdorf deutlich.
Im Rahmen einer Video-Konferenz, die für Interessierte auf YouTube abrufbar ist, erfolgte nunmehr die Vorstellung der Festschrift durch fünf der Autorinnen und Autoren, darunter auch die hessische Landesbeauftragte. Der Präsident der Bundesversammlung der Sudetendeutschen Landsmannschaft und Vorstandsvorsitzende der Kulturstiftung der deutschen Heimatvertriebenen, Reinfried Vogler, dankte der Hessischen Landesregierung und der Stadt Wiesbaden für die finanzielle Förderung der Festschrift und stellte im Rahmen der Videokonferenz die Bedeutung des Wiesbadener Abkommens heraus: „Für mich ist das Wiesbadener Abkommen der Versuch, über Nationalitätengrenzen und auch andere weltanschauliche Grenzen hinweg, auf der Basis von bestimmten Grundwerten eine gemeinsame, friedliche Zukunft aufzubauen.“
Moderiert wurde die Videokonferenz von Thomas Konhäuser, Geschäftsführer der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen. Die 108-seitige Festschrift „70 Jahre Wiesbadener Abkommen – Von Vertreibung zu Verständigung“ ist bei der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, der Sudetendeutschen Landsmannschaft und dem Sudetendeutschen Rat (Broschur, 108 Seiten, ISBN 978-3-88557-246-6) erhältlich.