Hessisches Ministerium des Innern, für Sicherheit und Heimatschutz

Sicherung von Heimatsammlungen und Denkmalen

Auf Einladung der Landesbeauftragten Margarete Ziegler-Raschdorf fand im Hessischen Ministerium des Innern und für Sport ein konstruktives Gespräch mit dem Geschäftsführer des Hessischen Landkreistages Prof. Dr. Jan Hilligardt, Referatsleiter Michael Hofmeister vom Hessischen Städtetag und Geschäftsführer Johannes Heger des Hessischen Städte- und Gemeindebundes statt, an dem auch der Landesvorsitzende des BdV – Bund  der Vertriebenen in Hessen und Vorsitzende des Landesvertriebenenbeirates Siegbert Ortmann teilnahm.

Anlass für den Termin war die Sorge um die Dokumentation der Ankunft und Eingliederung der in Hessen nach dem Krieg aufgenommenen rund 1 Million Flüchtlinge und Heimatvertriebenen und die öffentlich sichtbare Erinnerung an diese Nachkriegsgeschehnisse in den hessischen Ankunftsgemeinden. Allen hessischen Kommunen und Landkreisen wurden in den Nachkriegsjahren nach einem festen Verteilerschlüssel Heimatvertriebene zugewiesen, die sie unterzubringen und beruflich wie gesellschaftlich einzugliedern hatten. Diese Eingliederung war eine gewaltige Herausforderung mit Problemen, dürfe aber in der Bilanz als außerordentlich gut bewältigt und gelungen bezeichnet werden – schlussendlich sei sie eine Erfolgsgeschichte.  Gleichwohl werde dieses Nachkriegsgeschehen, die Abläufe und Begleitumstände von Ankunft und Eingliederung in kaum einer Kommune geschichtlich nachvollziehbar dokumentiert und in geeigneter Form öffentlich gezeigt.

„Das erfüllt mich mit Sorge, denn wir stehen an einem entscheidenden Punkt der Geschichte. 78 Jahre nach Kriegsende werden in wenigen Jahren keine lebenden Heimatvertriebenen mehr unter uns sein. Die Geschichte ihrer Ankunft und Eingliederung in den westlichen Teilen Deutschlands droht in Vergessenheit zu geraten. Insofern bitte ich die kommunale Ebene darum, die Heimatsammlungen, Heimatstuben, Gedenkstätten, Denkmäler, Erinnerungskreuze und weiteren Zeugnisse zu bewahren und zu pflegen, wenn die Vertriebenenorganisationen dazu nicht mehr in der Lage sind“ wünscht sich Landesbeauftragte Ziegler-Raschdorf.

Sie wies darauf hin, dass über den emotionalen und persönlichen Wert der Erinnerungsstücke an die verlorene Heimat hinaus die Ausstellungsgegenstände und Sammlungsobjekte auch einen außerordentlichen historischen sowie kulturellen Wert haben. Der Erhalt und die Dokumentation der mitgebrachten Gegenstände und Traditionen leiste einen wesentlichen Beitrag zu der durch § 96 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) Bund und Ländern auferlegten Verpflichtung, das Kulturgut der Vertreibungsgebiete zu bewahren und zu pflegen. Zudem seien die Heimatstuben und Denkmäler zeitgenössische Zeugnisse darüber, auf welche Weise die kollektive Erinnerung der Betroffenen an die alte Heimat zu bewahren versucht wurde und werde.

Aufgrund des demographisch bedingten Schwindens der Erlebnisgeneration seien viele Sammlungen in ihrer Existenz bedroht, einige der ursprünglich rund 56 Heimatsammlungen in Hessen seien aufgrund der Auflösung der vor Ort betreuenden Heimatkreise bereits verschwunden. Wertvolles Kulturgut gehe unwiederbringlich verloren. Dies treffe auch die jeweilige Ankunftskommune schwer, denn so wie die Menschen, die seinerzeit als Vertriebene hierhergekommen seien und mit den Jahren zu einem festen Teil ihrer Stadt und Gemeinde wurden, so sei auch deren Geschichte heute ein selbstverständlicher Teil der jeweiligen Stadt- und Ortsgeschichte der Ankunftsgemeinde.

„Mein Appell richtet sich an die Ankunftsorte mit dem Ziel der sukzessiven Verantwortungs-übernahme für die historischen Zeugnisse der Heimatvertriebenen. Idealerweise sollten die Heimatsammlungen in die örtlichen Museen eingegliedert werden. Dadurch würde deutlich, dass die Vertriebenen endgültig vor Ort angekommen, aufgenommen und eingegliedert sind“, machte die Landesbeauftragte deutlich. Die Übergabe in die allgemeine Obhut biete auch für die Kommune die Chance, die eigene Geschichte als die einer Kommune herauszuarbeiten, die Heimatvertriebene aufgenommen und integriert habe.  Dies sei auch ein wichtiger Aspekt für Kommunen, in denen es keine Heimatsammlungen oder Erinnerungsstätten der aufgenommenen Heimatvertriebenen gebe. Eine entsprechende Beschlussgrundlage sei in der letzten Sitzung des Landesvertriebenenbeirates im Rahmen des Hessentages in Pfungstadt diskutiert worden und werde auf Wunsch der Mitglieder aktuell noch einmal überarbeitet.

Wie BdV-Landesvorsitzender Siegbert Ortmann herausstellte, würden zum Beispiel in den Museen der Stadt Frankfurt, einer Stadt, in die 1946 ff. rund 80.000 Heimatvertriebene gekommen seien, diese überhaupt nicht einmal erwähnt. Die Stadt Frankfurt wolle das allerdings nunmehr aufgreifen. Die Darstellung des Themas vor Ort könne heute mit dem BdV und den Landkreisen und Städten partnerschaftlich gemeinsam angegangen werden, modern und auch virtuell erfolgen. Die Zeit sei gekommen, hierzu mit den Landkreisen und Kommunen in Kontakt zu treten. Er wies außerdem darauf hin, dass Unterlagen und Vertriebenenakten der Nachkriegsjahre dem Hessischen Staatsarchiv übergeben werden und so vor dem unwiederbringlichen Verschwinden bewahrt werden könnten.

Wie Prof. Hilligardt für den Hessischen Landkreistag versicherte, werde er nun die Verbandsgremien über dieses Anliegen informieren sowie eine Diskussion über die Realisierungsmöglichkeiten und -wege anstoßen. Für den Städtetag erklärte Michael Hofmeister, schon der vorläufige Beschlussvorschlag des Landesvertriebenenbeirates sei auf positive Reaktion gestoßen. Johannes Heger gab für den Hessischen Städte- und Gemeindebund zu bedenken, dass die Strukturen in den örtlichen Museen sehr heterogen seien – dies gelte es bei der Umsetzung zu bedenken.

Alle Beteiligten äußerten übereinstimmend die Bereitschaft, sich in der Sache konstruktiv zu verständigen und eine Lösung anzustreben. Diese sollte vom Land angestoßen werden. Landesbeauftragte Ziegler-Raschdorf sicherte zu, einen neuen Beschlussvorschlag für den Landesvertriebenenbeirat zu erarbeiten und nach Beschlussfassung den übergeordneten kommunalen Organisationen Landkreistag, Städtetag, Städte- und Gemeindebund zuzuleiten. Sie bedankte sich ausdrücklich und herzlich für das offene Gespräch und die Bereitschaft zur Kooperation.