Der Kreisverband Odenwald des BdV – Bund der Vertriebenen hatte zum traditionellen Märzgedenken auf den Friedhof in Erbach eingeladen und die Hessische Landesbeauftragte für Heimatvertriebene und Spätaussiedler, Margarete Ziegler-Raschdorf, darum gebeten, die Festansprache zu halten.
In ihrer Rede erinnerte Ziegler-Raschdorf an die Märzunruhen im Jahr 1919 und die damit verbundenen schrecklichen Ereignisse, die im kollektiven Gedächtnis der Sudetendeutschen fest verankert sind. Nach dem Zerfall der KuK-Monarchie am Ende des Ersten Weltkrieges erhob die Tschechoslowakei auch Ansprüche auf die Gebiete Böhmen, Mähren und Österreich-Schlesien, die mehrheitlich deutsch besiedelt waren. Die dort lebenden rund 3,2 Millionen Sudetendeutschen wünschten sich eine weitere Zugehörigkeit zur im November 1918 entstandenen Republik Deutschösterreich, was ihnen jedoch verwehrt wurde. Schließlich wurden im März 1919 die Wahlen für den deutschösterreichischen Nationalrat abgehalten, die Teilnahme daran wurde den Sudetendeutschen jedoch durch die tschechoslowakischen Behörden verweigert. Daher riefen die im Exil befindlichen Landesregierungen der sudetendeutschen Gebiete sowie die sudetendeutschen Parteien für den 4. März 1919 zu friedlichen Demonstrationen für das Selbstbestimmungsrecht auf. Ebensolche Demonstrationen fanden daraufhin in allen Bezirksstädten der deutschsprachigen Gebiete statt, sie wurden jedoch von tschechischem Militär durch wahllose Schüsse in die Menschenmenge gewaltsam zerschlagen. „Der legitime Wunsch der Sudetendeutschen nach Selbstbestimmung wurde damals durch die Tschechoslowakei ignoriert und missachtet, friedliche Demonstrationen wurden gewaltsam beendet, so dass am Ende 54 Todesopfer zu beklagen waren. Daher ist es verständlich, dass auch über 100 Jahre nach diesen furchtbaren Ereignissen dem sogenannten Tag des Selbstbestimmungsrechtes gedacht wird“, machte Hessens Landesbeauftragte deutlich.
„Mahnung und Symbol für Frieden und Versöhnung“
Neben dem Märzgedenken war die Wieder-Einweihung des Vertriebenenkreuzes auf dem Erbacher Friedhof ein weiterer wichtiger Anlass der Zusammenkunft. Günther Wytopil, Kreisvorsitzender des BdV Kreisverbandes Odenwald machte darauf aufmerksam, dass die rund 10.000 Heimatvertriebenen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Erbach eine neue Bleibe fanden, bereits 1951 ein solches Gedenkkreuz errichteten. Dieses musste nun wegen Schadhaftigkeit durch ein neues Kreuz aus Eichenholz ersetzt werden. Wytopil erinnerte daran, dass das Kreuz das christliche Symbol für Frieden und Versöhnung sei und drückte die Hoffnung aus, das neu errichtete Vertriebenenkreuz könne in unserer Zeit, in der Krieg und Vertreibung plötzlich wieder sehr nah an uns herangerückt sind, auch ein Zeichen der Hoffnung sein.
Bei ihrer Festansprache in der schönen alten Friedhofskapelle hob Margarete Ziegler-Raschdorf die Bedeutung des Vertriebenenkreuzes für die Erinnerung an das Schicksal der Heimatvertriebenen hervor, die mit der Vertreibung nicht nur Haus, Hof, Hab und Gut, sondern eben auch ihre Heimat verloren haben. Unter den rund eine Million Heimatvertriebenen, die bis zum Jahr 1950 nach Hessen kamen, waren rund 440.000 Sudetendeutsche. „Die Sudetendeutschen stellten in Hessen die größte Gruppe unter den Heimatvertriebenen dar. An ihr Schicksal, aber auch an das Schicksal der Heimatvertriebenen aus Schlesien, Pommern und den anderen Vertreibungsgebieten, möge dieses Gedenkkreuz erinnern. Ich freue mich, dass Günther Wytopil sich für dieses neue Vertriebenenkreuz eingesetzt hat und im vergangenen Jahr bei meiner Stabsstelle einen Förderantrag dazu eingereicht hat. So konnte die Errichtung dieses Kreuzes durch die hessische Landesregierung mit rund 3.000 Euro gefördert werden. Möge dieses Gedenkkreuz die Erinnerung an die Ereignisse vor 78 Jahren wachhalten und den nachfolgenden Generationen zugleich Mahnung als auch Symbol für Frieden und Versöhnung sein“, so Hessens Landesbeauftragte für Heimatvertriebene und Spätaussiedler.