Hessisches Ministerium des Innern, für Sicherheit und Heimatschutz

40 Jahre Patenschaft des Landes über die Wolgadeutschen

Der Beauftragte der Hessischen Landesregierung für Heimatvertriebene und Spätaussiedler, Andreas Hofmeister, MdL, nahm an der feierlichen Jubiläumsveranstaltung der Landsmannschaft der Wolgadeutschen e.V. teil und hielt die Festrede zum 40-jährigen Bestehen der Patenschaft des Landes Hessen über die Wolgadeutschen (ehemals Arbeitskreis der Wolgadeutschen).

Hofmeister betonte in seiner Festrede die besondere historische Bedeutung dieses Jubiläums: „Wir begehen heute ein Jubiläum von ganz besonderem Gewicht: vier Jahrzehnte Patenschaft des Landes Hessen über die Wolgadeutschen – das sind vier Jahrzehnte lebendiger Verbundenheit, verlässlicher Verantwortung und gemeinsamer Geschichte.“

Ursprünge reichen weit zurück

Die 1985 begründete und 1999 offiziell bekräftigte Patenschaft reicht in ihren Ursprüngen weit zurück – bis in das 18. Jahrhundert. Als Zarin Katharina II. deutsche Siedler in das Russische Zarenreich einlud, war Hessen, insbesondere die Stadt Büdingen, ein zentraler Ausgangspunkt für jene, die den Weg an die Wolga antraten. Viele dieser späteren Wolgadeutschen bewahrten ihre hessische Herkunft über Generationen hinweg.

Aus dem anfänglichen Aufbruch in der Hoffnung auf ein besseres Leben entstanden blühende Kolonien – trotz harter Arbeit, schwieriger klimatischer Bedingungen und großer Entbehrungen. Sprache, Religion und Bräuche blieben über die Jahrzehnte erhalten.

Nach Anfeindungen während des Ersten Weltkriegs erhielten die Deutschen an der Wolga am 19. Oktober 1918 territoriale Autonomie. Unter der Leitung des „Wolgadeutschen Kommissariats“ – mit Ernst Reuter an der Spitze – entwickelte sich die Region zu einem bedeutenden landwirtschaftlichen Versorger des Landes. 1924 entstand daraus die „Autonome Sozialistische Sowjetrepublik der Wolgadeutschen“. Mit Stalins Machtergreifung 1927 verschlechterte sich die Lage allerdings dramatisch. Zwangskollektivierungen, politische Verfolgungen und die Unterstellung, mit dem nationalsozialistischen Deutschland zu sympathisieren, führten zu massenhaften Inhaftierungen. Den tragischen Tiefpunkt bildete das Dekret vom 28. August 1941 (Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR „Über die Übersiedlung der Deutschen, die in den WolgaRayons wohnen“), mit dem Stalin die Wolgarepublik auflöste. Rund 970.000 Deutsche wurden unter brutalsten Bedingungen nach Zentralasien deportiert, ihrer Sprache und Kultur beraubt und zur Arbeit in der „Trud-Armee“ gezwungen. Dieser folgenschwere Erlass jährt sich 2026 zum 85. Mal – dabei gibt es aus geschichtswissenschaftlicher Sicht keine Anhaltspunkte, dass die Wolgadeutschen mit der Wehrmacht kollaboriert hätten.

Der Landesbeauftragte betonte: „Dieses Kapitel darf nicht vergessen werden. Es mahnt uns – gerade heute – zur Wachsamkeit. Es verpflichtet uns, stets einzutreten für Frieden, Freiheit und die unveräußerliche Würde des Menschen. Denn das, was diese Personen erlebt haben, war ein Kriegsfolgeschicksal von unermesslicher Härte – ein Schicksal, dessen Folgen bis heute spürbar sind. Kaum eine Familie, die nicht von Deportation, Verlust oder Zwangsarbeit gezeichnet wurde. Das Leid jener Jahre hat Narben hinterlassen – nicht nur bei denen, die es unmittelbar erleiden mussten, sondern auch in den Herzen und Erinnerungen der nachfolgenden Generationen.“

Die jahrzehntelange Verbannung setzte sich selbst nach dem Zweiten Weltkrieg fort. Eine Rehabilitierung oder Wiederherstellung der Autonomie blieb aus. Viele Deutsche kehrten nie in ihre ursprüngliche Heimat zurück. Schließlich fanden zwischen 1990 und 2000 rund 2,1 Millionen Deutsche aus der ehemaligen Sowjetunion – aufgrund ihres besonderen Kriegsfolgeschicksals – ihren Weg in die Bundesrepublik und viele von ihnen nach Hessen.

Patenschaft hat besondere Verantwortung

Hofmeister machte deutlich, dass aus dieser Geschichte eine besondere Verantwortung erwachse: Die Patenschaft sei nicht nur ein historisches Bekenntnis, sondern „ein Auftrag, das Erinnern wachzuhalten, Verständigung zu fördern und Menschen zuzuhören, deren Lebensgeschichten oft noch viel zu wenig sichtbar sind.“

Nach 40 Jahren Patenschaft blickt Hessen auf zahlreiche Begegnungen, Projekte und einen intensiven kulturellen Austausch zurück. Hofmeister weiter: „Die Geschichte der Wolgadeutschen ist ein Teil der deutschen und ein Teil der hessischen Geschichte. Hessen bleibt verlässlicher Partner, engagierter Förderer und aufmerksamer Zuhörer.“

Als besonderes Präsent der Wertschätzung überreichte der Landesbeauftragte dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden Waldemar Eisenbraun sowie der Geschäftsführerin Natalie Paschenko zwei Hessenlöwen aus Höchster Porzellan.

Mehrere musikalische Beiträge des Chors „Harmonie“ unter der Leitung von Svetlana Zdorova verliehen der Veranstaltung einen festlichen Rahmen. Darüber hinaus bereicherte Dr. Viktor Krieger, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bayerischen Kulturzentrum der Deutschen aus Russland (BKDR), die Veranstaltung mit einem Vortrag zum Thema „Wie Darmstädter und Isenburger zu Wolgadeutschen wurden“. Ein weiterer Höhepunkt war ein Beitrag in Wolgadeutsch des ehemaligen Schauspielers am Deutschen Theater Kasachstans, Waldemar Hooge. Anlässlich des Jubiläums veröffentlichte die Landsmannschaft der Wolgadeutschen zudem die Festschrift „40 Jahre Patenschaft“.