Innenminister Roman Poseck hat heute den Gesetzentwurf der Hessischen Landesregierung zur Anpassung des Hessischen Verfassungsschutzgesetzes (HVSG) in den Hessischen Landtag eingebracht und dabei die wesentlichen Neuerungen skizziert.
Mit der Novelle erhält das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Hessen die Rechtsgrundlage für den verdeckten Zugriff auf informationstechnische Systeme, die sogenannte Online-Durchsuchung auf Basis einer richterlichen Anordnung. Dadurch wird zugleich, um eine umfassende parlamentarische Kontrolle des LfV sicherzustellen, eine Änderung des Gesetzes zur parlamentarischen Kontrolle des Verfassungsschutzes in Hessen (Verfassungsschutzkontrollgesetz) erforderlich; die Pflicht der Landesregierung zur Unterrichtung des Hessischen Landtags über bestimmte Maßnahmen des LfV in jährlichem Abstand soll auch für Online-Durchsuchungen gelten. Des Weiteren sollen die bereits bestehenden Rechtsgrundlagen für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des LfV aus Gründen der Normenklarheit und in Anlehnung insbesondere an die Regelung im Bundesverfassungsschutzgesetz ausführlicher gefasst werden. Ebenfalls neu soll das LfV in Ausnahmefällen künftig personenbezogene Daten minderjähriger Personen länger speichern dürfen. Diese Änderung ist leider notwendig, weil auch Minderjährige zunehmend als Verfassungsfeinde in Erscheinung treten. Mit dem Gesetzentwurf wird außerdem auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Juli 2024 umgesetzt.
Freiheitlich-demokratische Grundordnung ist in Bedrängnis geraten
Innenminister Roman Poseck führte zur 1. Lesung des Gesetzentwurfs aus: „Unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung ist in Bedrängnis geraten. Gefahren gehen insbesondere vom Rechtsextremismus, aber auch vom Linksextremismus, vom Islamismus und vom Salafismus sowie von aus dem Ausland gesteuerten Desinformationskampagnen, Cyberangriffen und Sabotageakten aus. Extremisten und andere Akteure agieren mit digitalen Technologien zunehmend verdeckt und nutzen gleichzeitig vermehrt die Möglichkeiten des digitalen Raums zur Kommunikation und Vernetzung.
Der Rechtsextremismus und Verfassungsfeinde sind in den Parlamenten angekommen. Diese Kräfte versuchen den Verfassungsschutz zu verunglimpfen und damit von der eigenen Radikalisierung abzulenken. Ich stehe hinter dem Verfassungsschutz, der seinen wichtigen Aufgaben mit höchster Professionalität und Integrität nachgeht. Gleichzeitig trete ich der fortwährenden Diskreditierung und Delegitimierung des Verfassungsschutzes entschieden entgegen. Diese Versuche sind falsch und bösartig.
Wirksamer Verfassungsschutz ist unverzichtbar
Angesichts der aktuellen Bedrohungen ist gerade jetzt ein wirksamer Verfassungsschutz unverzichtbar. Unsere Sicherheitsbehörden dürfen nicht abgehängt werden. Sie brauchen mehr Befugnisse, um mit den neuen Herausforderungen Schritt halten zu können. Wir müssen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung wirkungsvoll schützen. Diese Aufgabe ist wichtiger denn je. Deshalb reformieren wir das Verfassungsschutzgesetz und schaffen für unser LfV einen zeitgemäßen Rechtsrahmen.
Dazu soll das LfV künftig die Befugnis erhalten, nach richterlicher Anordnung auf digitale Endgeräte wie Computer und Handys zugreifen zu können. So können Gefahren deutlich früher und effizienter erkannt werden. Angesichts der weit verbreiteten Ende-zu-Ende-Verschlüsselung von digitalen Anwendungen ist dies für unsere Verfassungsschützerinnen und Verfassungsschützer aktuell häufig die einzige verbleibende Möglichkeit, an für ihre Arbeit relevante Informationen zu gelangen. Das ist auch im Interesse unserer eigenen Souveränität. Wir müssen unsere Sicherheit stärker in unsere eigenen Hände nehmen und sollten nicht länger hinter den Möglichkeiten anderer Dienste zurückfallen.
Zudem sieht die Reform des Verfassungsschutzgesetzes auch eine Rechtsgrundlage zur Aufklärung der Öffentlichkeit durch das LfV vor. Das wird sich vor allem in der Präventionsarbeit zeigen, die eine wichtige Säule der Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz ist. Nur informierte und aufgeklärte Bürgerinnen und Bürger können für ihre Demokratie eintreten, um extremistischen Bestrebungen gesamtgesellschaftlich effektiv zu begegnen. Durch die Intensivierung der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit stärken wir auch das Vertrauen der Bevölkerung in die Arbeit des Verfassungsschutzes.
Radikalisierung durch soziale Medien
Einem weiteren Phänomen müssen unsere Sicherheitsbehörden begegnen: Sie stellen zunehmend fest, dass sich junge Menschen durch soziale Medien immer häufiger radikalisieren. Das zeigt jüngst auch die Zerschlagung einer mutmaßlich rechten Terrorzelle bestehend aus Personen zwischen 14 bis 18 Jahren, von denen der 14-Jährige aus dem Lahn-Dill-Kreis stammt. Extremistische Gewalttaten nehmen insgesamt durch Minderjährige zu. Deshalb muss der Verfassungsschutz auch an dieser Stelle besser ausgestattet werden: Bisher können personenbezogene Daten minderjähriger Personen höchstens fünf Jahre gespeichert werden, sofern nach Eintritt der Volljährigkeit keine weiteren Erkenntnisse anfallen. Die Reform sieht vor, dass im Einzelfall auch längere Speicherungen ermöglicht werden. Es ist wichtig, dass der Verfassungsschutz minderjährige Extremisten, die in der Vergangenheit schon auffällig geworden sind, länger auf dem Radar haben kann.
Die Reform des Verfassungsschutzgesetzes ist eine Reaktion auf die Sicherheitslage. Wir müssen uns mit den neuen Gefahren auseinandersetzen und angemessene Antworten finden. Hessen hat gehandelt und mit dem Gesetzesentwurf zusätzliche Befugnisse für das LfV geschaffen. Selbstverständlich berücksichtigen wir auch die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Ich bin zuversichtlich, dass das neue Verfassungsschutzgesetz unsere Sicherheit stärkt.“
Formale Anpassungen am Hessischen Versammlungsfreiheitsgesetzes
Des Weiteren sollen mit dem Gesetzentwurf einzelne Vorschriften des 2023 vom Hessischen Landtag neu beschlossenen Versammlungsgesetztes, des Hessischen Versammlungsfreiheitsgesetzes (HVersFG), neu erlassen bzw. marginal ergänzt werden. Diese formalen Änderungen sind notwendig, da der Hessische Staatsgerichtshof die inhaltlich nicht beanstandeten Vorschriften zur Sicherstellung sowie Einziehungsregelungen im März 2025 für verfassungswidrig erklärte, da diese in § 29 HVersFG (Einschränkung von Grundrechten) selbst nicht als möglicherweise betroffenes Grundrecht genannt werden (Verstoß gegen das sogenannte Zitiergebot).