Der Hessische Landkreistag ist eine Vereinigung der 21 hessischen Landkreise. Heute hat der Hessische Landkreistag zur Jahrestagung geladen. Neben der neu gewählten Präsidentin des Hessischen Landkreistages, Landrätin Anita Schneider, nahmen an der Tagung im Wiesbadener Kurhaus auch der Präsident des Deutschen Landkreistags Dr. Achim Brötel, Ministerpräsident a.D. Volker Bouffier und weitere Mitglieder des Verbandes teil.
Innen-und Kommunalminister Roman Poseck hat zu diesem Anlass eine Festrede gehalten und darin ausgeführt: „Die Kommunen leisten gerade in diesen herausfordernden Zeiten Enormes. Dies gilt für die Landkreise genauso wie für Städte und Gemeinden. Alle Krisenszenarien - von Corona bis zu Flüchtlingsbewegungen - haben Auswirkungen vor allem auch auf die unterste staatliche Ebene. Die Kommunen sind nach wie vor Stabilitätsanker unseres Gemeinwesens. Hier wird Demokratie im wahrsten Sinne des Wortes gelebt. Deshalb möchte ich die Gelegenheit auch nutzen, allen ganz herzlich zu danken, die auf kommunaler Ebene Verantwortung tragen. Dieser Dank gilt den Hauptamtlichen und den Ehrenamtlichen gleichermaßen. Ihrem Einsatz und ihrem Pragmatismus ist es zu verdanken, dass wir die verschiedenen Herausforderungen bislang sehr gut meistern konnten.
Handlungsfähigkeit der Kommunen stärken
Als Land Hessen werden wir die Kommunen bei ihren wichtigen Aufgaben auch weiter intensiv unterstützen. Wir haben uns fest vorgenommen, die kommunale Selbstverwaltung und die Handlungsfähigkeit der Kommunen zu stärken. Wir wissen um ihre Bedeutung und ihre Leistungsfähigkeit. Aus diesem Grund werden wir auch eine Reform des Kommunalrechts in den nächsten Wochen auf den Weg bringen. Es ist beabsichtigt, dass sich der Hessische Landtag noch in diesem Jahr mit dem umfassenden Gesetzentwurf befassen wird. Die Reform sieht vor allem vor, die Kommunen nachhaltig zu unterstützen, sie deutlich zu entlasten und ihnen mehr Spielräume einzuräumen.
Mit der Reform setzen wir auf eine Stärkung der Handlungsfähigkeit der kommunalen Parlamente. Wir wollen der oft lähmenden Zersplitterung entgegenwirken, indem das Auszählverfahren auf das auch in anderen Ländern angewandte d`Hondtsche Höchstzahlverfahren umgestellt wird. Ferner soll die Ein-Personen-Fraktion, die es so nur in Hessen gibt, abgeschafft werden.
Des Weiteren werden die Möglichkeit digitaler Sitzungsformate eröffnen, wobei die Entscheidung des Umfanges vor Ort getroffen werden soll. Wir werden es den kommunalen Parlamenten auch leichter machen, in eigener Verantwortung eine Verkleinerung vorzunehmen. Hierfür soll in Zukunft eine einfache Mehrheit statt der gegenwärtig vorgesehenen 2/3 Mehrheit ausreichen.
Wir wissen um die hohe Belastung und Verantwortung der Bürgermeister, Landräte und Beigeordneten. Dies wollen wir auch in der Besoldung zum Ausdruck bringen. Ab der zweiten Wahlperiode soll ein 8-prozentiger Zuschlag gewährt werden. Auch die Dienstaufwandsentschädigung soll steigen und dynamisiert werden, indem sie an die Entwicklung des Gehalts gekoppelt wird.
Zudem ist eine Erweiterung der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen im Wohnungsbau und im Hinblick auf erneuerbare Energien vorgesehen. Auch die Beteiligung von jungen Menschen und von Senioren soll gestärkt werden.
Abbau der Bürokratie
Wir werden die Kommunalrechtsnovelle auch zum Abbau von Bürokratie nutzen. Wir wollen Abläufe effizienter machen - in den Kommunen und darüber hinaus. Deshalb ist es auch vorgesehen, dass bei bestimmten Infrastrukturvorhaben keine Bürgerbegehren mehr möglich sind. Wir müssen in unserem Land schneller werden, wenn es um unsere Infrastruktur geht. Bürger können und sollen sich weiter intensiv einbringen, aber irgendwann müssen Ergebnisse auch feststehen und umgesetzt werden. Das hessische Recht soll an dieser Stelle übrigens an die Rechtslage in anderen Bundesländern angepasst werden.
Ich danke allen, die sich in die Kommunalrechtsnovelle bislang so konstruktiv eingebracht haben. Dieser Dank ist besonders auch an den Landkreistag gerichtet. Wir sollten dieses wichtige Thema auch weiter diskutieren, damit wir die besten Lösungen für die Politik vor Ort finden. Ich möchte alle Beteiligten daher auch an dieser Stelle bitten, sich weiter in diese und andere Debatten einzubringen. Wir sind offen für weitere Vorschläge. Dies gilt insbesondere auch für das zentrale Thema des Bürokratieabbaus.
Mehr Steuereinnahmen für Kommunen
Wir leben gemeinsam in einer herausfordernden Zeit. Auch die Haushaltslage fordert Land und Kommunen derzeit ganz besonders. Dem Land ist bewusst, dass die Kommunen ihre vielfältigen und wichtigen Aufgaben nur bei einer angemessenen finanziellen Ausstattung erfüllen können. Allerdings müssen auch alle staatlichen Ebenen in Anbetracht der Haushaltslage Abstriche machen. Die Ursachen für unsere gegenwärtige Haushaltslage liegen weder in den Kommunen noch beim Land. Die erheblichen Einnahmeverluste gehen auf die schlechte Lage unserer Wirtschaft zurück, die wiederum auf wirtschaftspolitische Weichenstellungen auf Bundesebene zurückzuführen ist. Die letzte Steuerschätzung des Landes zeigt aber auch, dass die Kommunen im Vergleich zum Land mit mehr Steuereinnahmen in den kommenden Jahren rechnen können.
Lassen Sie uns gerade in diesen Zeiten zusammenstehen und die vielfältigen Herausforderungen mit Pragmatismus und im Bewusstsein der Herausforderungen auf allen staatlichen Ebenen bewältigen!“
Abschließend dankte Innenminister Roman Poseck dem bisherigen Präsidenten Wolfgang Schuster und gratulierte der neuen Präsidentin Anita Schneider. Er sagte eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit im gemeinsamen Interesse der Handlungsfähigkeit des Gemeinwesens zu.