Hessisches Ministerium des Innern, für Sicherheit und Heimatschutz

Keine pauschalen Anfeindungen gegenüber Russlanddeutschen und russischsprechenden Menschen

Landesbeauftragte informiert über Neuregelung für Spätaussiedler aus der Ukraine und fordert Besonnenheit im Umgang mit Menschen, die Russisch sprechen.

Nicht jeder russischsprechende Mensch solidarisiert sich mit Putin! Deshalb keine pauschalen Angriffe auf russischsprechende Personen und Russlanddeutsche hier bei uns!

Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine macht uns alle fassungslos und tief betroffen. Es handelt sich dabei um nichts weniger als eine historische Zäsur. Angesichts der erschütternden Bilder von Krieg und Flucht sind wir mit unseren Gedanken bei den Menschen in der Ukraine, die Opfer dieses Krieges sind.

Anständiger Umgang mit allen Personengruppen

Aktuell mehren sich Berichte über Anfeindungen gegenüber russisch-sprechenden Menschen auch bei uns in Hessen. „Als Landesbeauftragte plädiere ich für einen besonnenen, vernünftigen und menschlich anständigen Umgang mit dieser Personengruppe. Die pauschale Einschätzung, alle Menschen, die Russisch sprechen, seien Putin-Anhänger, ist falsch. Betroffen von Anfeindungen sind neben Aussiedlerinnen und Aussiedlern, Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern auch jüdische Kontingentflüchtlinge aus Russland bis hin zu Studentinnen und Studenten oder Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“, so Margarete Ziegler-Raschdorf.

Die Landesbeauftragte merkt weiter an: „Wir dürfen Putins Krieg nicht nach Deutschland holen und jetzt hier bei uns führen. Der Riss geht durch die Familien und spaltet diese, da viele Russlanddeutsche in bi-nationalen Ehen mit Russinnen und Russen leben.“ Gleichzeitig käme es vor, dass Anfeindungen gezielt konstruiert und instrumentalisiert würden. Eine neutrale und sachliche Berichterstattung sowie genaue Prüfung von Informationsquellen sei daher besonders wichtig.

Russlanddeutsche sind ein Teil von Hessen

„Russlanddeutsche, die nach Hessen gekommen sind und als anerkannte Aussiedlerinnen und Aussiedler (Aussiedlung vor 1992) sowie Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler (Aussiedlung nach 1992 gemäß neuem Verfahren) hier leben, sind mit ihrer Aufnahme hier deutsche Staatsbürger. Diese Russlanddeutschen stellen als bevölkerungsstarke Gruppe einen relevanten Teil der deutschen Gesellschaft dar. Von 1979 bis zum Jahr 2021 sind 268.939 Aussiedler und Spätaussiedler nach Hessen gekommen. Damit leben aktuell rund 280.000 Personen mit Aussiedlungshintergrund in unserem Bundesland. Ihre bewegte Geschichte und Kultur ist deshalb sowohl Bestandteil der deutschen, als auch der gesamteuropäischen Geschichte und gehört zur kollektiven Identität Deutschlands, Hessens und ganz Europas“, betonte Landesbeauftragte Margarete Ziegler-Raschdorf.

Die Selbstorganisationen der Russlanddeutschen in Hessen – die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland (LMDR-Hessen e.V.), die Deutsche Jugend aus Russland (DJR-Hessen e.V.) und die Interessengemeinschaft der Deutschen aus Russland in Hessen (IDRH gGmbH) – haben eindeutige Stellungnahmen abgegeben, in denen sie sich klar von dem heimtückischen und völkerrechtswidrigen Angriff Putins auf die Ukraine distanzieren und diesen verurteilen, Solidarität mit der Ukraine bekunden und ein eindeutiges Bekenntnis zu Freiheit, Frieden und Demokratie abgeben. Alle drei Organisationen haben außerdem Spendenaufrufe und Hilfstransporte auf den Weg gebracht, um allen Menschen, die von diesem Krieg betroffen sind, besonders den flüchtenden Frauen, Kindern und alten Menschen, zu helfen.

Härtefallaufnahmeverfahren

„Insbesondere die Lage der deutschen Minderheit in der Ukraine (schätzungsweise 25.000 bis 30.000 Personen) verfolge ich aufmerksam und mit großer Sorge. Als Landesbeauftragte begrüße ich das Härtefallaufnahmeverfahren, welches das Bundesverwaltungsamt (BVA) allen deutschstämmigen Spätaussiedler-Bewerberinnen und -Bewerbern eröffnet. Angesichts des Krieges in der Ukraine wird Ukrainern deutscher Volkszugehörigkeit, die eine Aufnahme als Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler in Deutschland begehren und jetzt nach Deutschland kommen, die Prüfung ihres Aufnahmeantrages im mündlichen Verfahren zugesagt. Dieses Verfahren mit Überprüfung der Aufnahmevoraussetzungen und Sprachtest findet direkt in der Außenstelle des Bundesverwaltungsamtes in Friedland statt. Wie viele Personen tatsächlich dieses Härtefallaufnahmeverfahren anstreben werden, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen“, so Ziegler-Raschdorf. Wer aufgrund der Kriegs- und Fluchtsituation Probleme habe, Abstammung, Sprache oder Bekenntnis nachzuweisen, könne sich an das BVA wenden. Das BVA biete Lösungen im Einzelfall an.

Bei diesem Härtefallverfahren ändere sich jedoch nichts an den rechtlichen Voraussetzungen der Spätaussiedleraufnahme, diese seien unverändert: Nachweis der deutschen Abstammung, Beherrschung von Grundbestandteilen der deutschen Sprache, Bekennung zum deutschen Volkstum (und keiner anderen Nationalität). Die Landesbeauftragte betont: „Wichtig für die Betroffenen ist, zu wissen, dass ein Bescheid nur erteilt werden kann, wenn tatsächlich alle gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Ansonsten würden Antragssteller als Spätaussiedler abgelehnt und nur nach den allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen einen vorübergehenden Schutzstatus erhalten. Insbesondere ist ein nachträglicher Erwerb der nötigen Sprachkenntnisse nach einem förmlichen Härtefallantrag nicht möglich. Vor diesem Hintergrund rate ich dazu, bei Nichtvorliegen ausreichender Sprachkenntnisse, den Antrag erst später zu stellen, was noch bis zu einem halben Jahr nach Einreise möglich ist. Betroffene beantragen also zunächst bei der Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis zur Gewährung vorübergehenden Schutzes. Einen solchen Aufenthalt von bis zu sechs Monaten im Bundesgebiet wird das Bundesverwaltungsamt wegen des Krieges grundsätzlich als nur ´vorübergehend` werten, so dass Bewerber innerhalb dieser Frist einen Härtefallantrag stellen können und erst bei Antragstellung die Sprachkenntnisse besitzen und nachweisen müssen. Das ist eine große Erleichterung für die Bewerber, die als Kriegsflüchtlinge zu uns kommen und sich nicht auf den Sprachtest vorbereiten konnten.“

Informationen zum Verfahren

Für Fragen zum Verfahren steht allen Personen aus der Ukraine eine Hotline zur Verfügung: 022899/358 20255. Fragen können auch per E-Mail an folgende Adresse gerichtet werden: Ukraine-Friedland@bva.bund.de.

Die Hessische Landesregierung hat auf der Website https://innen.hessen.de/hessen-hilft-ukraine für alle Menschen, die mittelbar oder unmittelbar vom Krieg in der Ukraine betroffen sind, Informationen zusammengestellt, eine E-Mail-Adresse: ukraine@hmdis.hessen.de und eine Telefonhotline: 0800/110 3333 eingerichtet.

Unterstützung bei psychischen Belastungen der Schülerinnen und Schüler

Das Hessische Kultusministerium unterstützt die hessischen Schulen mit Schulpsychologinnen und Schulpsychologen beim Umgang mit psychischen Belastungen der Schülerinnen und Schüler. Bei allen Fragestellungen im Kontext von Flucht und Trauma und dem Umgang mit aus der Ukraine geflüchteten Kindern und Jugendlichen in der Schule stehen ab sofort schulpsychologische Ansprechpersonen im Schwerpunkt Migration und FlüchtlingsberatungÖffnet sich in einem neuen Fenster zur Verfügung.

Landesbeauftragte Margarete Ziegler-Raschdorf plädiert für einen besonnenen Umgang miteinander in dieser bedrohlichen Krise: „Unser Feind ist weder die russische Bevölkerung, noch sind es pauschal Menschen, die Russisch sprechen. Insbesondere Deutsche aus Russland bilden als deutsche Staatsbürger gemeinsam mit uns die deutsche Gesellschaft. Deshalb darf es keine ungerechtfertigten Angriffe auf Russlanddeutsche, Beleidigungen und Mobbing insbesondere gegenüber Schulkindern geben. Leider treten jetzt die Bildungsdefizite zutage, die es in unserer Bevölkerung über die in den vergangenen Jahrzehnten nach Deutschland ausgesiedelten Russlanddeutschen gibt. Mangelhafte Deutschkenntnisse sind das Ergebnis ihres bitteren Kriegsfolgeschicksals nach dem Zweiten Weltkrieg. Dies muss man wissen und sich über ihre Geschichte, Herkunft und Kultur informieren. Das aus Mitteln des Landes Hessen geförderte Digitalportal www.russlanddeutsche-hessen.deÖffnet sich in einem neuen Fenster der IDRH bietet hierzu hervorragende Informationen. Sie finden dort gut aufbereitete Hintergründe, Erklär-Videos und Informationskacheln zu Ihren Fragen: Welche Geschichte haben die Deutschen aus Russland oder der Ukraine? Wie ist ihre Kultur? Warum sind irgendwann Deutsche nach Russland oder in die Ukraine ausgewandert, wie haben sie dort gelebt oder leben sie jetzt noch dort und warum sind sie seit den 1989/90-er Jahren wieder zurück nach Deutschland gekommen? Warum sprechen sie nicht besser und akzentfrei Deutsch?“

Sanktionen für Bankkonten russischer Staatsangehöriger

Landesbeauftragte Ziegler-Raschdorf verweist darauf, dass es aktuell außerdem Verunsicherung in Kreisen der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler gebe im Zusammenhang mit Sanktionen für Bankkonten und der Sperrung von Depots russischer Staatsangehöriger wegen des Ukraine-Krieges. Aufgrund einer EU-Richtlinie würden russische Kunden schriftlich aufgefordert, gegenüber ihrer Bank ihre Staatsangehörigkeit und ihren Aufenthaltsstatus nachzuweisen. Hierzu stellt die Landesbeauftragte fest: „Es handelt sich bei diesen Maßnahmen nicht um eine Maßnahme von Seiten der Bundesregierung, sondern es wird die EU-Verordnung 2022 / 328 vom 25. Februar 2022 umgesetzt, die den Zahlungsverkehr mit Russland einschränken soll. Ziel ist es, die Finanzströme nach Russland zu kontrollieren und kein Geld für den Krieg in der Ukraine zur Verfügung zu stellen. Insofern können Kontoinhaber mit russischer Staatsangehörigkeit von ihrer Bank aufgefordert werden, ihren Aufenthaltsstatus nachzuweisen - zum Beispiel als Familienangehöriger eines Spätaussiedlers nach § 8 Bundesvertriebenengesetz. Die Vorgabe betrifft ausschließlich Konten russischer Staatsbürger mit einem Guthaben über 100.000 Euro bzw. den Wertpapier-Handel über 100.000 Euro. Leider gibt es bei einzelnen Banken generelle Abfragen ohne Blick auf den Kontostand. Das kann zu Unsicherheit und Unruhe bei den Betroffenen führen. Diese können jedoch bei Nachweis ihrer Aufenthaltsberechtigung ihr Konto weiterführen. Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler sind als deutsche Staatsbürger von der Nachweispflicht nicht betroffen. Wer einen befristeten oder unbefristeten Aufenthaltsstatus hat – zum Beispiel als Familienangehöriger von Spätaussiedlern nach § 8 Bundesvertriebenengesetz – legt diesen bei seiner Bank vor. Zu dieser Abfrage ist die Bank durch die EU- Richtlinie verpflichtet. Verbindliche Aussagen hierzu können im Amtsblatt der Europäischen Union bzw. im BundesanzeigerÖffnet sich in einem neuen Fenster nachgelesen werden.“

Diverse Kreditkartenanbieter kündigten Anfang März 2022 des Weiteren an, ihre Geschäfte mit Russland einzustellen. Kunden könnten demnach z.B. mit von russischen Banken ausgestellten Visa- und Mastercard-Karten künftig nur noch in Russland bezahlen. Karten, die hingegen von nichtrussischen Banken ausgestellt worden seien, funktionierten nicht mehr in Russland.

Vorsicht sei in diesem Zusammenhang geboten bei Mails, die als Mails von Banken ausgegeben würden und darin „ihre Kunden“ auffordern, persönliche Daten und ihre Kontonummer einzugeben, um Russland-Sanktionen aufzuheben, z.B. mit dem Betreff „Ihr Konto wird deaktiviert – Russland Sanktionen“. Hier handele sich um Phishing-Mails von Betrügern, die an Kontonummern gelangen wollten. Derartige E-Mails würden von Banken selber nicht verschickt.

Migrations-Erstberatung

Landesbeauftragte Ziegler-Raschdorf weist in diesem Zusammenhang auch auf die vielen Standorte sowie Angebote der Migrations-Erstberatung (MBE) hin, zu deren Trägern unter anderem die LMDR und der BdV gehören. Siehe unter www.mbeon.deÖffnet sich in einem neuen Fenster oder https://bamf-navi.bamf.de/de/Themen/Migrationsberatung/Öffnet sich in einem neuen Fenster.

Weitere Informationen auch auf meiner Website http://www.vertriebenenbeauftragte.hessen.deÖffnet sich in einem neuen Fenster sowie auf der Website des Bundesbeauftragten für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten Dr. Bernd Fabritius http://www.aussiedlerbeauftragter.deÖffnet sich in einem neuen Fenster.

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