Anlass des Termins waren die im Haushaltsplanentwurf der Bundesregierung für das Jahr 2024 vorgesehenen dramatischen Kürzungen im Bildungsbereich. Das Grenzdurchgangslager Friedland ist gleichzeitig eine Außenstelle des Bundesverwaltungsamtes (BVA) und für alle Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler die erste Anlauf-Adresse, wenn sie nach Deutschland kommen. Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler kommen mit einem vorläufigen Aufnahmebescheid nach Deutschland, im Grenzdurchgangslager werden alle Unterlagen nochmals geprüft. Zu diesen Unterlagen gehören unter anderem Nachweise über deutsche Vorfahren, über entsprechende Deutschkenntnisse und auch ein Führungszeugnis. Der Aufenthalt im Grenzdurchgangslager Friedland sieht außerdem eine medizinische Untersuchung vor und beträgt durchschnittlich fünf bis sechs Tage. Nach der offiziellen Anerkennung als Spätaussiedler werden die Ankömmlinge nach dem Königsteiner Schlüssel auf die Bundesländer und Kommunen verteilt. Hierbei werden Wünsche nach bestimmten Regionen oder Städten berücksichtigt, insbesondere dann, wenn bereits Verwandte oder Freunde in einer bestimmten Region Deutschlands leben und die Neuankömmlinge gerne in deren Nähe ziehen möchten.
Aufnahme-Prozedere in unter einer Woche
Im Verwaltungsgebäude des Grenzdurchgangslagers wurde die Landesbeauftragte mit ihrer Stabsstelle und den Vertretern des Regierungspräsidiums Darmstadt vom Leiter der Projektgruppe Aufnahme Spätaussiedler in der BVA-Außenstelle Friedland, Martin Schmidt, herzlich begrüßt und durch Verwaltungsgebäude, Archiv und das gesamte Gelände geführt. Referatsleiter Schmidt und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zeigten sich erfreut über das Interesse an ihrer herausfordernden Arbeit in Friedland und informierten die Gäste sachkundig und detailgenau über die Abläufe, insbesondere die Beratung für Spätaussiedler in der Einrichtung.
„Die Arbeit, die hier in Friedland von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesverwaltungsamtes geleistet wird, ist für die Aufnahme und Integration der Spätaussiedler von höchster Bedeutung. Mich beeindruckt, dass das Aufnahme-Prozedere hier in Friedland nicht einmal eine Woche in Anspruch nimmt. Für die Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler stehen im Grenzdurchgangslager 250 Betten zur Verfügung und erfahrungsgemäß sind 100 bis 250 Spätaussiedler gleichzeitig in Friedland vor Ort“, stellt Landesbeauftragte Margarete Ziegler-Raschdorf fest.
Zukünftige berufliche Perspektiven von enormer Bedeutung für Integration
Weiterhin macht die Hessische Landesbeauftragte deutlich, dass es nicht damit getan ist, die Unterlagen der Spätaussiedler zu prüfen und ihnen einen endgültigen Aufnahmebescheid auszuhändigen. Für die Eingliederung in die Gesellschaft seien vor allem die zukünftigen beruflichen Perspektiven von enormer Bedeutung. Dabei spielt die Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer, kurz MBE, eine wichtige Rolle, da hierbei Bildungsberatung am individuellen Fall orientiert direkt im persönlichen Gespräch erfolgt. Finanziert wird die Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer aus dem Garantiefonds Hochschule (GFH). Dieser Garantiefonds Hochschule ermöglicht es jungen Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern, aber auch jungen Flüchtlingen in Deutschland eine Hochschulreife zu erwerben, nach zu qualifizieren und die jungen Leute auf dem Weg ins Studium und in ihrer akademischen Laufbahn zu unterstützen.
„Im Rahmen der Bildungsberatungen, die hier in Friedland stattfinden, werden die jungen Spätaussiedler auch auf den Sonderlehrgang im hessischen Hasselroth im Main-Kinzig-Kreis aufmerksam gemacht. Die Einrichtung in Hasselroth ist der einzige in ganz Deutschland verbliebene Standort, der diesen Sonderlehrgang anbietet. Damit ist er über Hessen hinaus von höchster Bedeutung. Viele junge Spätaussiedler haben in ihren Herkunftsländern eine Hochschulzugangsberechtigung erworben, diese entspricht in der Regel allerdings nicht eins zu eins unserem deutschen Abitur und berechtigt noch nicht zu einem Studium in Deutschland. Daher ist unser Sonderlehrgang in Hasselroth und der Ludwig-Geissler-Schule in Hanau so wichtig – er führt innerhalb von zwei Jahren zur deutschen Hochschulreife. Die Erfolgsquote liegt bei 90 Prozent und spricht für sich“, erklärt die Hessische Landesbeauftragte für Heimatvertriebene und Spätaussiedler.
Einstellung und Abschaffung des Garantiefonds Hochschule wäre Katastrophe
Zum Zeitpunkt des Informations-Besuches der Landesbeauftragten und ihrer Stabsstelle in Friedland sah der Planentwurf für den Bundeshaushalt 2024 die vollständige Einstellung und Abschaffung des Garantiefonds Hochschule vor. Dies hätte den Wegfall der Finanzierungsgrundlage für die Bildungsberatung und das Aus für die entsprechenden Beraterstellen in Friedland zur Folge. „Wenn junge Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler von dem Sonderlehrgang in Hasselroth nicht erfahren können, bleibt ihnen eine wichtige Form der Weiterbildung verwehrt, die auf ihr gesamtes berufliches Leben existentielle Auswirkungen hat. Der Wegfall des GFH wäre für Hasselroth und uns in Hessen tatsächlich eine Katastrophe. Aktuell gibt es Hoffnung, dass der Garantiefonds Hochschule die Haushaltsberatungen des Deutschen Bundestages überstanden hat und auch in 2024 fortbestehen wird. Somit bin ich optimistisch, dass junge Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler auch weiterhin von Bildungsberatungen profitieren, ihre Potentiale ausschöpfen können, auf ihrem Weg zu einer deutschen Hochschulreife unterstützt werden und somit schlussendlich zu Leistungsträgerinnen und Leistungsträgern in unserer Gesellschaft werden“, erläutert Margarete Ziegler-Raschdorf.
Abschließend sprach die Landesbeauftragte ihren Dank für den informativen Besuch im Grenzdurchgangslager Friedland aus: „Mein herzlicher Dank gilt Herrn Martin Schmidt, dem zuständigen Leiter der Projektgruppe Aufnahme Spätaussiedler in der Außenstelle des BVA in Friedland, der uns umfassende Informationen gegeben und Einblicke in den Alltag von Friedland ermöglicht hat. Weiterhin möchte ich Pastor Wiegmann und insbesondere den Bildungsberaterinnen im Grenzdurchgangslager Friedland danken. Sie haben uns sehr anschaulich über ihre tägliche Arbeit berichtet und deutlich gemacht, dass diese Arbeit ohne den Garantiefonds Hochschule schlicht nicht möglich wäre.“