Zum Schutz vor den Feinden der Demokratie und um eine effektive nachrichtendienstliche Bekämpfung jeglichen Extremismus zu gewährleisten, ist es erforderlich, dass bestimmte Informationen der Sicherheitsbehörden und über deren Arbeitsweisen nicht öffentlich gemacht werden. Dies unterstrich Hessens Innenminister Peter Beuth heute im Hessischen Landtag. Zugleich machte er deutlich, dass der demokratische Rechtsstaat deshalb spezifische Kontrollmechanismen vorsehe. So besitzt beispielsweise das zuständige Parlamentarische Kontrollgremium Verfassungsschutz (PKV) vollumfängliche Akteneinsichtsrechte und kann jederzeit sämtliche Informationen des Verfassungsschutzes einsehen.
„Für die Arbeit unserer Sicherheitsbehörden ist es immanent, dass sie ihre Arbeitsweise nicht für jeden offenlegen können. Ansonsten könnten die Verfassungsfeinde selbst diese Informationen nutzen, um unsere gemeinsamen Werte zu bekämpfen oder Menschen gezielt zu gefährden. Demokratische Rechtsstaaten haben daher gesetzliche Regelungen geschaffen, die sicherstellen, dass sowohl die Arbeitsweise der Sicherheitsbehörden geschützt als auch die Kontrolle über die Sicherheitsbehörden gewährleistet sind“, so Hessens Innenminister Peter Beuth.
Der Minister gab zu bedenken, dass es für jegliche Handlungen der Sicherheitsbehörden – so auch für deren Umgang mit ihren Erkenntnissen – Rechtsgrundlagen gebe. Manchmal wäre es womöglich auch für die Sicherheitsbehörden der vermeintlich einfachere Weg, bestimmte Inhalte schlicht zu veröffentlichen. Gerade in die sogenannten „NSU-Akten“ des Landesamtes wurde zuletzt vieles hineininterpretiert, das jeglicher Grundlage entbehre, so der Minister. Dabei stellte er klar, dass die besagten Unterlagen Berichte über eine erfolgte Aktensichtung darstellten, also mitnichten Akten über den sogenannten NSU darstellen. Zum anderen lagen sie vollumfänglich und ungeschwärzt einsehbar dem zuständigen Kontrollgremium sowie dem NSU-Untersuchungsausschuss bereits vor, gingen dem Generalbundesanwalt (GBA) für die Ermittlungen zum Mordattentat an Dr. Walter Lübcke zu und liegen auch dem dazu eingesetzten Untersuchungsausschuss vor.
„Die Sicherheitsbehörden teilen ihre Informationen nach den geltenden rechtlichen Bestimmungen mit allen Stellen, die diese Informationen benötigen. Sie können sie zum Schutz auch künftiger Maßnahmen gegen Extremisten nur nicht gänzlich veröffentlichen. Da ich weiß, dass gerade auch diese verdeckte Arbeitsweise der Sicherheitsbehörden uns schon in vielen Situationen vor größerem Schaden bewahrt hat, können auch künftig bestimmte Arbeitsweisen und Informationen der Sicherheitsbehörden nicht außerhalb der zuständigen Gremien veröffentlicht werden. Das ist rechtlich festgeschrieben, sichert den Erfolg derer, die uns schützen und dient damit letztlich dem Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor Gewalttaten und Extremismus“, so Innenminister Peter Beuth.
Hintergrund zu den Abschlussberichten zur Aktensichtung im Landesamt für Verfassungsschutz Hessen:
Petitionen fordern die gänzliche Offenlegung der sogenannten „NSU-Akten“. Bei den in Rede stehenden Berichten „Aktensichtung 2012 - Fachlicher Abschlussbericht zur Aktenprüfung im LfV Hessen“ vom 19. Dezember 2013 sowie „Abschlussbericht zur Aktenprüfung im LfV Hessen im Jahre 2012“ vom 20. November 2014 handelt es sich nicht um Berichte über den NSU, sondern um Berichte über eine rückblickende Aktenprüfung im LfV Hessen.
Bei der Aktenprüfung wurden im LfV Hessen zum damaligen Zeitpunkt bereits vorliegende Akten und Dokumente aus dem Phänomenbereich Rechtsextremismus retrospektiv auf mögliche Bezüge zum NSU geprüft. Angesichts der Schwere der Taten des NSU ging man bei der Prüfung über die zentrale Frage nach NSU-Bezügen hinaus: Die Akten wurden nicht nur auf einen möglichen direkten oder indirekten NSU-Bezug geprüft, es wurden zusätzlich auch allgemeine Prüfkriterien wie zum Beispiel Bezüge zu Waffen und Sprengstoff sowie der Besuch einer Wehrmachtsausstellung des NSU-Trios – vor dessen Abtauchen – zugrunde gelegt.
Eine komplette Zusammenstellung aller im LfV Hessen vorliegenden Erkenntnisse zur rechtsextremistischen Szene in Hessen und den zugehörigen Personen war mit den Berichten von 2013 und 2014 nicht beabsichtigt. Die beiden Berichte stellen vielmehr eine Dokumentation der erfolgten Aktensichtung dar. Gemäß den Berichten konnten im Rahmen dieser Prüfung keine offenkundigen Bezüge oder Informationen zu den Straf- und Gewalttaten des NSU festgestellt werden.
Da sich die Inhalte der Abschlussberichte 2013 und 2014 auf Akteninhalte aus Verschlusssachen beziehen, waren auch die beiden Berichte durch das Landesamt für Verfassungsschutz als Verschlusssachen nach den damals geltenden Regelungen einzustufen. Mit Erlass vom 24. April 2019 hat das Hessische Ministerium des Inneren und für Sport verfügt, dass der Umgang mit und der Zugang zu Verschlusssachen in Hessen im Sinne der im August 2018 modifizierten Verschlusssachenanweisung (VSA) des Bundes fortan flexibel geregelt werden kann. Somit bestehen seit dem 24. April 2019 keine starren Fristen mehr. Fristen können nun einzelfallbezogen festgesetzt werden und liegen regelmäßig deutlich kürzer. Unter Heranziehung dieser neuen Regelungen wurden auch die Abschlussberichte von 2013 und 2014 neu bewertet und die Frist auf 30 Jahre festgelegt.
Diese beiden Abschlussberichte der erfolgten Aktensichtung lagen vollumfänglich der für die parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes zuständigen Parlamentarischen Kontrollkommission Verfassungsschutz des Hessischen Landtags sowie dem Untersuchungsausschuss 19/2 des Hessischen Landtags vor. Beide Gremien konnten demnach, um ihrer jeweiligen Aufgabe nachzugehen, vollständig Einblick in die Abschlussberichte nehmen, unabhängig davon, dass diese als Verschlusssache eingestuft sind. Gleiches gilt für den laufenden Untersuchungsausschuss zum Mord an Dr. Walter Lübcke. Zudem haben unabhängig von der Höhe und Dauer der Einstufung als Verschlusssache alle Mitglieder der PKV die Möglichkeit, jedes Dokument des Verfassungsschutzes jederzeit einzusehen. So ist eine unabhängige Kontrolle möglich und die Einsichtnahme in Akten des Verfassungsschutzes gesetzlich geregelt. Eine Veröffentlichung von Verschlusssachen ungeachtet der geltenden Einstufungsfristen sieht das Gesetz hingegen nicht vor.
Einstufungen und Einstufungsfristen bedeuten nicht, dass damit versehene Dokumente für die Dauer der Einstufung keinen anderen Stellen zugänglich gemacht werden. Die Dokumente sind vielmehr für den als Einstufungsfrist genannten Zeitraum als Verschlusssache eingestuft und dadurch zwar nicht öffentlich zugänglich, sie können aber gemäß den rechtlichen Vorgaben beispielsweise den zuständigen parlamentarischen Gremien oder Strafverfolgungsbehörden zugänglich gemacht werden. So hat das Landesamt für Verfassungsschutz beispielsweise auch der Generalbundesanwaltschaft beim Bundesgerichtshof sämtliche angeforderten Akten – unabhängig von deren Einstufung als Verschlusssache – zur Verfügung gestellt und darüber hinaus diese in Absprache mit dem GBA für das Strafverfahren gegen den verurteilten Mörder von Dr. Walter Lübcke gerichtsverwertbar zugeliefert.
Der Umgang mit sogenannten Verschlusssachen ist bundesweit gesetzlich unter anderem durch das Sicherheitsüberprüfungsgesetz und Verschlusssachenanweisungen geregelt.